Archiv des Autors: Shirley Michaela Seul

Lieber spät als nie

Natürlich liebe ich alle meine Kinder gleich. Aber bei diesem ist das Herzblut noch ein bisschen dicker!

 

 

Die Ehemannzipation

„Diana, ich ess’ jetzt ein Käsbrot“, sagt mein Vater, und meine Mutter bereitet es ihm mundgerecht zu.

„Diana, ich trink jetzt einen Kaffee“, sagt mein Vater, und mein Mutter setzt Wasser auf. Vor vielen Jahren schob ich mir im Beisein meines Vaters einmal ein Bonbon in den Mund. „Für mich auch“, bat er. Ich reichte ihm eines, er legte es auf die Zunge und rief empört: „Da ist ja noch Papier dran!“

Ich bin eine von sehr vielen, gehöre zu einem geburtenstarken Jahrgang. In meiner Kindheit saß der Mann am Steuer. Papa bestimmte die Route des Familienschiffs und hatte das Ruder in der Hand, Mama ordnete sich unter beziehungsweise schob Papas Ruder mit Charme und Diplomatie in die von ihr gewünschte Richtung. Weiterlesen

Teile diesen Beitrag

Lesen ist umweltfreundlich

Winter. Leise rieselt das Alphabet. Still und starr ruht der Satz. Weihnachtlich glänzet das Wort. Freuet euch, die Buchwelt kommt bald. Nein, sie ist schon da. Immer da. Ich mag ja den Sommer lieber, viel lieber. ABER! Im Sommer reise ich nach draußen. Schwimmen, radeln, laue Sommernächte. Im Winter reise ich nach innen.  Henning Mankell hat das in Treibsand so genannt: Hinauszusehen oder in sich hineinzusehen ist dasselbe. Und damit hat er Marcel Proust übersetzt: Jeder Leser ist ein Leser seiner selbst. Weiterlesen

Teile diesen Beitrag

Salzliebe

Aus der Schreibmaschine geplaudert

Ich soll noch ein paar Liebesgedichte aus dem Schreibmaschinen-Zeitalter wiedergeben? Die Bitte hat mich überrascht – aber auch gefreut, weil ich dazu in den Keller darf. Wo meine Leichen liegen, auf Papier. Sie müffeln nicht und sind auch nicht mumifiziert. Flugs beatmet mittels Tastatur fliegen sie reinkarniert in eine Welt, von der sie bei ihrer Erstgeburt keinen blassen Schimmer hatten. Und ich auch nicht. Weiterlesen

Teile diesen Beitrag

FKK

Aus der Schreibmaschine geplaudert

Heute ist Fasching. Da wage ich es. Und finde es faszinierend, dass dieser in Fanzines oft veröffentlichte Text aus dem Schreibmaschinen-Zeitalter heute so  für mich nicht mehr schreibbar wäre. Ich schaue alte Derricks und Tatorte allein deshalb, weil ich mich an den grauen Wählscheibentelefonen erfreue. Es sind Zeitdokumente. Und in den 1980er-Jahren … das gab es kein Me-too und Sexismus war normal wie der Klaps auf den Po der Kellnerin. Weiterlesen

Teile diesen Beitrag

Meine fetten Jahre sind vorbei

 

Eine kalorienreiche Lebensgeschichte, die mich beim Schreiben sehr berührt hat. Und ich habe endlich mal die Oberpfalz kennengelernt durch Reinhard Stummreiter, die Kultfigur des dicken Trommlers der Altneihauser Feierwehrkapell’n.

 

Der Paukenschlag

„Eine Leberkassemmel bitte“, sagte ich zu der Metzgereiverkäuferin in Windischeschenbach, zögerte, „na, glei zwoa oder gib ma lieba drei.“

„Sempf, Ketschup?“

„Nix.“

„Glei essen oder eipacken?“

„Eipacken.“

„Dreisechzig.“

Ich legte einen Fünfeuroschein auf die Theke und nahm die drei Alupäckchen in Empfang. Das Wasser lief mir im Munde zusammen. Blöd, dass die in der Metzgerei keine Nussherndln hatten. Nussherndln mit Leberkassemmel, das mochte ich besonders gern. Und dazu einen Kaba oder eine Capri Sonne, stilecht mit Strohhalm. Weiterlesen

Teile diesen Beitrag

Anrufbeantworter

Aus der Schreibmaschine geplaudert

Ich erinnere mich an meinen ersten Anrufbeantworter. Damit alle wussten, dass ich einen habe, musste ich alle anrufen und sie bitten, mich anzurufen. Dann konnten sie meine tolle Ansage hören. Sie dauerte zirka zwei Minuten. Ich wechselte die Ansagen alle paar Tage, und dann mussten wieder alle bei mir anrufen.  Weiterlesen

Teile diesen Beitrag

Faszinierende Faszien

Manchmal, wenn ich mit jeder Faser meines Körpers, meines Geistes, meiner Seele weiß: Das ist ein gutes Buch. Und mich jemand fragt und ich nachdenken muss, warum ich es dafür halte. Und zuweilen zuerst gar nichts sagen kann, weil es als ganzes Gebilde erscheint und ich es nicht in Einzelteile zerlegen möchte. Da rutscht mir dann schon mal etwas heraus wie: Es schwingt zwischen den Zeilen. Danach finde ich natürlich sachliche Gründe. In einem guten Buch herrscht daran kein Mangel. Doch was ist es, was da schwingt zwischen den Zeilen? Seit Gestern weiß ich es: Weiterlesen

Teile diesen Beitrag

Mumien

Wie schon bei unserem ersten Buch “Mein Leben mit den Toten” hatte ich auch an den Mumien viel Freude. Und ich habe abermals viel gelernt. Für eine Krimiautorin sind diese Themen sehr spannend. Und wann immer ich etwas über Leichen wissen muss, rufe ich Alfred Riepertinger an und frage zum Beispiel: “Servus, Alfred, sag mal. Wenn einer an der Decke hängt. Ist die Zunge dann blau?”  

Alfred wundert sich nach rund 30.000 Leichen über keine Frage. Und natürlich ist er noch nie eine Antwort schuldig geblieben.

Die Mutter-Mumie

Passend zu diesem Monat, der wie kein anderer im Zeichen der Vergänglichkeit steht, entdeckte man im November 2014 in einer Münchner Wohnung eine Mumie. Den Boulevardzeitungen war dies eine Schlagzeile wert. Auf der Titelseite zeigte ein dicker roter Pfeil auf das Fenster eines Wohnblocks: „Dahinter lag die Mumie“. Eine tragische Geschichte hatte sich zugetragen. Weiterlesen

Teile diesen Beitrag