Winter. Leise rieselt das Alphabet. Still und starr ruht der Satz. Weihnachtlich glänzet das Wort. Freuet euch, die Buchwelt kommt bald. Nein, sie ist schon da. Immer da. Ich mag ja den Sommer lieber, viel lieber. ABER! Im Sommer reise ich nach draußen. Schwimmen, radeln, laue Sommernächte. Im Winter reise ich nach innen. Henning Mankell hat das in Treibsand so genannt: Hinauszusehen oder in sich hineinzusehen ist dasselbe. Und damit hat er Marcel Proust übersetzt: Jeder Leser ist ein Leser seiner selbst.
Da schade ich keinem Klima. Ich brauche keine Tickets, S-Bahn zum Flughafen und in die Luft. Ich stehe in keiner Schlange. Ich zeige meine hygienischen Siebensachen nirgends vor. Ich trinke auch keinen Tomatensaft beim Lesen. Und ich genieße die Beinfreiheit. Oft auf dem Sofa, aber auch mal auf dem Teppich und blättere in meinen Tickets für die Weltreise und der Teppich hebt ab, fliegt los. Auf einmal ist es gar nicht mehr Winter. Ich schwitze im Süden oder bin allein im Schneesturm auf einer Schäreninsel und wenn ich Fantasy lesen würde, hätte ich die Grenzen dieser Welt längst überflogen, aber mache ich das nicht immer, weil die Fantasie keine Grenzen kennt?
Wenn ich lese, schreie ich für gewöhnlich nicht herum. Außer ich muss einen Protagonisten warnen oder mich aufregen, aber das geschieht selten. Ich lese meistens leise. Ich störe niemanden. Ich hinterlasse auch keinen Müll beim Lesen, wenngleich ich unglaublich viele Dinge auspacke, von Waffen über Koffer zu Lebensmitteln. Manchmal esse ich sehr viel Fleisch und fahre viel durch die Gegend, das alles ohne zu schlucken und mich zu bewegen. Auf meinem fliegenden Teppich Fantasie mit dem Ticket nach Überall und Überschall schone ich meine Umwelt. Und je nachdem, was ich lese, schone ich sie vielleicht danach im realen Leben. Weil ich etwas gelernt, Zusammenhänge verstanden habe, die man nur aus der Vogelperspektive erkennen kann. Hoffentlich dauert die Reise noch eine Weile, bei aller Sehnsucht nach dem Sommer, werde ich eines Tage feststellen. Winter ade, scheiden tut weh.