Archiv der Kategorie: Leseproben

Leseproben – die AusLese aus eigenen Büchern und Ghostwritings

Verbundenheit

 

Abermals war es eine große Freude, mit dieser klugen, charismatischen Professorin zusammenarbeiten zu dürfen. Vor allem, weil das Thema so gut in die Zeit passt … und wieder habe ich sehr viel gelernt!

 

 

So beginnt das Buch:

Als ich mit Anfang vierzig meine Professur für Biologische und Sozialpsychologie in Düsseldorf antrat, ging dieser Ortswechsel für mich mit überraschend viel Körperkontakt einher. Kaum hatte ich jemanden privat kennengelernt, wurde ich beim nächsten Treffen umarmt; Küsschen rechts in die Luft, Küsschen links in die Luft. Natürlich kannte ich die Sitten und Gebräuche jenseits meiner norddeutschen Heimat, wo man sich deutlich seltener umarmt, und wenn, dann betont herzlich: kurz und kräftig.  Ob Düsseldorf oder München, diese für mich als Norddeutsche distanzlose Art der Begrüßung kam mir vor wie eine beiläufig vollzogene Körperfloskel. Nun gut, wenn die Gepflogenheiten hier so waren. Ich gewöhnte mich schnell daran.

Länger dauerte es, mich an das Befremden zu gewöhnen, das ich hervorrief, wenn ich Unbekannten in die Augen schaute. Ich war es gewohnt, in der Öffentlichkeit auch mit Fremden Blickkontakt zu suchen, für mich die direkte Art von Verbindung. Doch in Düsseldorf wie in vielen anderen Großstädten galt dies gemeinhin als aggressiv. Unvergessen ist mir eine Frau im Bus, die meinen freundlichen Blick mit einer ruppigen Bemerkung quittierte und abschließend von mir wissen wollte: „Was denken Sie sich dabei, mich so anzustarren?“

Starren? Ich hatte doch nur geschaut.  Und gedacht hatte ich gar nichts, was ich nun nachholte, indem ich mir ziemlich viele Gedanken machte. Ich kam zu dem bekannten Schluss, dass man in größeren Städten gut beraten ist, Augenkontakt zu meiden, sich selbst sozusagen aus dem Verkehr zu ziehen, gar nicht da zu sein: unsichtbar. Denn die Folgen des Augenkontakts könnten übel sein. Jemand könnte sich provoziert fühlen, und das könnte mit einem blauen Auge enden.  Also lieber gar nicht schauen und nicht Gefahr laufen, eine unheilvolle Verbindung einzugehen.

Doch wie wir es drehen und wenden: Wir müssen Verbindung eingehen. Ohne Verbindung können wir Menschen als soziale Wesen nicht leben. Ja, auch nicht als biologische. Denn wir atmen. Alle atmen dieselbe Luft. Ein und aus. Durch unseren Atem sind wir verbunden, mal mehr, mal weniger intensiv. Je kälter die Luft ist, desto weniger Stoffe werden flüchtig, je wärmer die Luft ist, desto mehr. Wer wusste vor fünf Jahren schon genau, was es mit Aerosolen auf sich hat. Heute wissen wir es alle. In einem geheizten Raum mit anderen Menschen schwirren aber nicht nur mehr Aerosole herum, wir erhalten auch viel mehr menschliche Informationen über andere als in einem kalten Raum. Wir tauschen nämlich nicht bloß Viren aus, sondern vielzählige Statements darüber, wer wir sind, wie es uns geht, und was wir beabsichtigen zu tun. So verraten wir in der Kommunikation über Körpergerüche, der Chemokommunikation, etwas über uns und erfahren gleichzeitig etwas über andere. Und das alles, ohne es bewusst zu merken. Wir sind miteinander verbunden … und haben meistens keine Ahnung davon.

Verbundenheit ist neben Essen, Trinken und Schlafen das wichtigste Grundbedürfnis des Menschen. Fehlt sie vollständig, das haben viele Studien gezeigt, werden Menschen dauerhaft traurig, geraten in eine schwere Depression, werden ernsthaft krank, auch krebs- und herzkrank, leiden an Diabetes und ernsten psychischen Störungen, Angsterkrankungen und Schizophrenie und werden früher dement. Nicht ohne Grund wird soziale Isolation als schwere Strafe und vollständige Isolation als Folter eingesetzt. Bei längerem Verlust der Verbundenheit ist die Wahrscheinlichkeit zu sterben um fünfzig Prozent erhöht.

Verbundenheit ist also etwas enorm Wichtiges. Und dennoch haben wir uns in der Regel nicht wirklich darum gekümmert. Es ist so ähnlich wie in einem Aquarium. Das Wasser ist einfach da. Es geht so lange gut, bis es kippt. Bis die Fische mit den Bäuchen oben treiben. Dann wird es sicht- und riechbar: Da stimmt was nicht.

Wann haben Sie sich das letzte Mal mit einem Menschen oder etwas verbunden gefühlt? Verbundenheit kann auch bedeuten, Fan eines Fußballclubs zu sein oder bei gemeinsamen Unternehmungen mit Fremden. Die soziale Welt ist der Dreh- und Angelpunkt unserer Existenz. Wir sind ständig damit beschäftigt, herauszufinden, wie andere „drauf sind“, interpretieren ihr Verhalten, verbinden uns in gemeinsamen Sichtweisen, orientieren uns an wahrgenommenen Stimmungen, wollen dazugehören, manchmal um jeden Preis. Denn intuitiv wissen wir: Allein sind wir verloren. Nur im Verbund mit anderen sind wir lebensfähig. Gleichzeitig üben Einzelkämpfer, die angeblich völlig unabhängig sind, eine starke Faszination auf uns aus. Frei und ungebunden, individualistisch bis zur Egozentrik – doch in Wahrheit arme Würstchen. Das geht auch nicht lange gut, im Kino gerade mal knapp zwei Stunden.

Tatsache ist, dass unser Leben durch die Erfahrung von Verbundenheit erst sinnvoll wird: Einer anderen Person oder Personengruppe in vertrauensvoller Beziehung zuzugehören. Verbundenheit ist neben dem Selbstwert und der persönlichen Freiheit ein hohes Gut. Weil Menschen das wichtigste für Menschen sind, brauchen wir das Gefühl von Verbunden sein.

Wir schauen uns an und lesen uns von den Augen ab, dass wir einer Meinung sind.

Wir fühlen uns aufgehoben im Zusammensein.

Wir wissen, was richtig und falsch ist, weil andere das genauso sehen.

Hast du das eben auch gespürt?

Ja, hab ich.

Schon mit einer Betrachtungsweise allein dazustehen, kann unendlich schmerzvoll sein. Man fühlt sich unverstanden, im Stich gelassen, isoliert … so beginnt manchmal der dornenvolle Pfad in die Depression.

Die Geborgenheit in der Verbundenheit ist wichtiger als die Verbindung zum Computer. Auch wenn wir mutmaßen, ohne Smartphone wären wir verloren – in Wirklichkeit sind wir es ohne Menschen. Und das haben wir in jüngster Vergangenheit schmerzlich erfahren.

Wie wichtig Verbundenheit für die Lebensqualität ist, haben viele Menschen tatsächlich erst durch Covid-19 bemerkt. Man hat sich vorher nie Gedanken darüber gemacht, war selbstverständlich Teil einer Gemeinschaft. Niemand wäre auf die Idee gekommen in zum gesellschaftlichen Klebstoff gehörenden Gesten Gefahren zu wittern, nun gut, außer ein paar Virologen. Aber niemand hätte auch nur geahnt, wie viele es davon gibt. Man hat sich umarmt und Hände geschüttelt, man hat sich Küsschen auf die Wangen gehaucht und sich herzlich gedrückt.

Und plötzlich war das nicht mehr möglich. Was vorher ein warmes schönes Gefühl machte, wurde nun zu einer potenziellen Todesdrohung. Der Mensch gegenüber war nicht mehr nur mein Freund, Verwandter, Bekannter, Nachbar, sondern jemand, der mich an die Beatmungsmaschine bringen konnte. Also jemand, mit dem ich mich auf keinen Fall verbinden darf. Wenigstens nicht körperlich. Man kann ja trotzdem nah sein. Auch wenn man sich nicht sieht, nicht spürt, nicht riecht.

Tatsächlich?

Die Forschung sagt nein. Und ganz tief drin wissen die meisten von uns, dass sie recht hat, auch wenn wir anfangs dachten, das kriegen wir schon hin. Ein paar Monate, und dann ist alles wieder gut. Aus den Monaten der gekappten Verbindung sind Jahre geworden, und die Veränderungen sind noch nicht absehbar, zumal einige aktuelle Studien gravierende und langwierige Folgen ankündigen. Denn bei all unseren Maßnahmen haben wir den Wirt vergessen: die Seele. Menschen bestehen nicht nur aus einem Körper, wir sind beseelte Wesen. Seelen ohne Verbindung leiden, manchmal bis zu Suizid. Warum das so ist, werde ich auf den folgenden Seiten darlegen.

Seit mehr als zwanzig Jahren beschäftige ich mich mit der chemischen Kommunikation beim Menschen. Also mit jenen unbewussten Ausdrucksmöglichkeiten, die Nähe voraussetzen und die einen erheblichen Einfluss auf unsere physische und psychische Verfassung, auf unsere Gesundheit haben. Im Laufe meiner wissenschaftlichen Arbeit hat sich deutlich herauskristallisiert, dass die soziale Bindung eine Art Lebenselixier für uns Menschen ist. Sie hält uns am Leben, schützt uns vor Krankheit und macht uns froh. Wenn sie fehlt, wenn wir sozial isoliert sind, in die Einsamkeit abdriften, haben wir ein höheres Risiko, schwer zu erkranken und früh zu sterben, als wenn wir uns maßlos Nikotin und Alkohol zuwenden.

Anhand von Millionen von Datensätzen ist schon lange bekannt, wie wichtig Verbundenheit und wie desaströs Einsamkeit ist. Aus diesem Grund hat England vor einigen Jahren auch einen Einsamkeitsminister berufen.

Verbundenheit mit nahen Menschen, das kennen wir alle, macht uns ein warmes Gefühl, das Herz wird weit, alles scheint zu fließen, ganz egal, von wem die Initiative ausgeht. Sie findet Resonanz, und dann strömt es. Ein lieber Mensch streichelt mir über die Hand, schaut mich an mit Zuneigung im Blick. Oder ich schaue, und mein Schauen wird erwidert; jemand hat mit einer Kleinigkeit an mich gedacht oder ich habe an jemanden gedacht, auch mein Denken an ihn verbindet mich. Verbindung kann entstehen mit fremden Menschen, die es danach nicht mehr sind. Man tauscht auf der Straße ein Lächeln mit einer unbekannten Person, erhält oder schenkt ein Kompliment, das Herz auf der Zunge, und hört „you made my day“. Manchmal kann eine flüchtige Begegnung im Vorübergehen zu einer Verbindung werden, die über Jahre, Jahrzehnte hält, an die man sich immer erinnert. … Als das Kind mit dem Roller an den Laternenpfahl gefahren ist und ich diese fremde Frau angeschaut habe und dann mit ihr wie auf Kommando zu dem Kind gelaufen bin. Wir waren eins in unserer Reaktion und Sorge um das kleine Mädchen. Und später noch verbunden in der Erleichterung, dass nichts Schlimmes passiert ist …

Kein Wort wurde gewechselt. Man weiß nicht, wie die andere heißt, woher sie kommt, wohin sie geht. Aber es gibt einen Moment, in dem die Zeit stillsteht. Es ist der Moment der Verbindung. Er kann auch im gemeinsamen Lachen erlebt werden, man teilt den gleichen Humor, sitzt mit vielen fremden Menschen in einem Konzert und erfreut sich an der Musik, egal welcher Tonart. Wann immer wir etwas gemeinsam mit anderen Menschen tun, tanzen, singen, spielen, uns gemeinsam bewegen, verstärkt sich das Gefühl der Verbundenheit, und das dient später oft als Anknüpfungspunkt für eine weitere gemeinsame Zukunft. Ohne Verbindung keine Gemeinschaft. Verbundenheit ebnet Vertrauen den Weg, was zu noch mehr Verbundenheit führt. Sie wächst in die Tiefe, doch sie ankert nie. Sie macht glücklich und gesund … wie alles, was uns lieb und teuer ist. Sie lässt sich jedoch nicht festmachen, einfangen. Ihrem Wesen nach ist sie flüchtig, das macht ihren Wert aus. Sie ist ein unsichtbarer Zauber, der sich jederzeit verflüchtigen kann wie ein Duft. Und nun folgen wir ihrer Fährte …

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DarmAlarm!

 

Für Professor*innen habe ich schon öfter geschrieben. Dies hier ist meine erste Zusammenarbeit mit einem Leibnitz Preisträger. Habe wieder viel gelernt und unterwegs auch viel gelacht. Das Thema bietet sich ja an für Wortspiele!

 

 

So fängt es an:

Den Darm wünscht man sich so, wie früher Kinder sein sollten. Am besten man sieht und hört sie nicht. … Und riecht nichts, könnte man hinzufügen. Aber manchmal gibt es Darmalarm.

Denn obwohl dem Darm nun sogar Charme zugeschrieben wurde, salonfähig ist er noch nicht. Ganz tief drin möchten wir von dem, was irgendwo da unten in uns brodelt, am besten nichts hören und gerne auch nichts sehen. Also nicht, wenn wir erwachsen sind. Als Kinder hat uns das Kacka, Drucki, AA oder wie auch immer unsere Eltern es nannten, brennend interessiert. Es war schließlich das Einzige, über das wir Macht hatten, was wir eigenständig produzierten. So begann unser Leben mit Bäuerchen und Blähungen. Über erstere freuten sich unsere Eltern, letztere raubten ihnen den Schlaf. Und auf einmal sind wir erwachsen und keiner wartet auf unser Bäuerchen, und wenn es passiert, ist es uns peinlich. Dieses nicht salonfähige Oben und Unten, nein, damit wollen wir lieber nichts zu tun haben. Sollte der Darmalarm mal ruchbar werden, drehen wir uns gespielt empört um, auch wenn wir wissen, dass uns selbst dieses Malheur entfleucht ist. Doch es gehört nun mal zum Leben. Am besten täglich. Und dann schnell auf die Spülung gedrückt und weg damit. Eine gesunde Darmentleerung fühlt sich gut an. Man hat es auch gern, wenn die Mülltonne leer ist. Und macht es nicht auch schlank? Nein, macht es nicht – dies ist der erste Irrtum von vielen, die auf den folgenden Seiten korrigiert werden. Ich bin ein großer Fan vom Darm, denn er ist ein Wunderwerk. Und für mich als Mediziner nimmt er deutlich mehr Raum ein als den Bauch, er ist ein, wenn auch meterlanger Teil der Verdauung. Sehr häufig haben klassische Darmprobleme ihre Ursache an anderen Stellen der Verdauung: Leber, Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre. All diese Schlüsselstellen werden Sie in diesem Buch kennenlernen und am Ende gewiss ein anderes Bild von Ihrem Darm haben, ja vielleicht sind Sie dann auch ein Fan!

Landläufig weiß man, dass er ziemlich lang ist, je nach Tonus und Füllungsstand 5 bis 6 Meter. Man weiß, dass es einen dicken und einen dünnen gibt und einen blinden, der zum Durchbruch neigt. Vor zu erwartenden Schussverletzungen bei Banküberfällen, habe ich einmal in einem Thriller gelesen, sollte man nüchtern bleiben, weil eine Operation im Bauchraum sonst Komplikationen nach sich ziehen könnte.

Viele meiner Patienten fühlen sich durch ihre Erkrankungen tatsächlich wie angeschossen, und oft ist es ihnen nicht möglich, ein „normales“ Leben zu führen. Ihr Darm scheint ein Eigenleben zu entwickeln, lässt sich nicht erziehen, sondern tut, was er will, und meistens dann, wenn er nicht soll. Zuweilen schießt er sogar, auch scharf. Für die meisten Menschen ist Krebs die schlimmste Krankheit, vor der sie sich bei Gedanken an den Darm fürchten. Doch es gibt noch viele andere, kleine und größere und harmlose, die dennoch mordmäßig Eindruck machen, das Leben stark beeinträchtigen. Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie Ihre eigenen Taktstörungen besser einschätzen können. Sind sie normal oder sollte man das mal abklären lassen?

In der Regel wissen Menschen wenig über die Funktionsweise des gesunden Darms. Verstopfung zum Beispiel ist gesund, auch wenn Pharmaunternehmen mit allerhand Produkten für die Beschleunigung werben. Während man morgens im Büro, ohne mit der Wimper zu zucken berichtet, dass man schlecht geschlafen hat, wird man den Kollegen wohl kaum erzählen, dass man die Kloschüssel schier gesprengt hat oder nach dem Stuhlgang noch mal duschen musste, weil es so anstrengend war. Solche Beichten höre ich meist auch nicht bei der ersten Konsultation. Meine Patienten müssen erst Vertrauen zu mir entwickeln, bis sie mit der Wahrheit herausrücken. Der Darm ist nun mal ein sensibles Thema. Er ist mit Material beschäftigt, das wir nicht besonders appetitlich finden, obwohl wir es ihm mit Appetit zugeführt haben. Das sollte man sich gelegentlich vergegenwärtigen. Wie das, was unten rauskommt, vor einigen Stunden oben aussah. Lecker nämlich. Das stimmt uns vielleicht ein wenig freundlicher. Denn leider sind wir dem Darm gegenüber eher oft ungehalten. Er soll seine Arbeit tun und basta. Wir wollen nicht näher mit ihm befasst sein, freuen uns aber, wenn er aktiv ist. „Wenn’s Arscherl brummt, ist‘ Herzerl gesund“. Und wenn nicht … dann leiden wir, denn der Darm hat feinste Verbindungen zu unserer Seele. An keinem anderen Ort im Körper merken wir so schnell, dass etwas nicht stimmt wie am Verdauungssystem. Die Kehle ist uns zugeschnürt, der Hals wird eng, im Magen drückt es, wir kriegen ein komisches Bauchgefühl. Das alles behalten wir oft für uns. Vor allem wenn es hinten rauskommt. Darin sind wir Menschen gleich. Ein Patient hat mir einmal von seinem Großvater erzählt, der ihm riet: Wenn du Angst vor jemand hast, stell ihn dir auf der Toilette vor.

Ja, der Darm macht uns auf eine ganz besondere Art zu Menschen. Und weil er zur Abfallwirtschaft gehört, wollen wir ihn, der im Untergrund arbeitet, am liebsten dort belassen.

In diesem Buch werden wir ein Licht in die dunklen Windungen des Darms werfen – und in die gesamte Verdauung. Wir steigen tief hinab in dieses lange und gefaltete Schlauchsystem, und ich verspreche Ihnen, dass Sie dort viele Wunder erleben werden. Sie werden erkennen, dass Sie ohne die fleißigen Helfer von der Müllabfuhr kein so schönes Leben führen könnten, wie Sie es hoffentlich tun. Dieser großartige Reinigungstruppe sorgt dafür, dass Sie gesund bleiben. Er kehrt den Rest vom Schützenfest zusammen, presst das Wasser ab und schiebt den kompakten Müll nach draußen, so dass uns nur noch die schönen Seiten bleiben, manchmal leider auf den Rippen. War es nicht ein gelungenes Fest?

Warum es manchmal unangenehm riecht, warum der Stuhl unterschiedliche Brauntöne hat, für das alles gibt es gute Gründe. Der Darm ist so wenig schmutzig wie ein Eimer, mit dem Sie den Boden gewischt haben. Es ist das Wasser, das den Schmutz aufgenommen hat, und das Sie am Ende wegkippen. Wie sauber und schön der Darm ist, sehen Sie bei einer Darmspiegelung. Manche Leute kneifen währenddessen die Augen zusammen. Doch das, was zu Ekel führt, ist gar nicht sichtbar, da spielt uns unsere Phantasie einen Streich. Für mich ist dieses ästhetische Gebilde ein Kunstwerk. Zartrot, sauber, mit einem Gefäßgeflecht verziert, liegt der Darm lebendig vor dem Auge des Betrachters … ist es nicht faszinierend, welche Reisen in das Innere des Körpers uns die endoskopische Technik gestattet? Mit ihrer Hilfe können wir kranken Menschen helfen und Gesunde vor Krankheit bewahren.

Darmprobleme gelten als Volkskrankheit Nummer eins. Die einen können nicht, die anderen zu oft, wieder andere produzieren nur heiße Luft. Die wird dann kurz vor den 20-Uhr-Nachrichten abgelassen, mit kitschigen Protagonisten, die für ein Darmpräparat werben. Ihre Beschwerden sind nach der Einnahme „wie weg“ also auf gut Deutsch: noch da, weil wie weg ist ja nicht weg. Ein Arzttermin wird vereinbart. Mein tägliches Brot sind Verstopfung, Durchfall, Bauchschmerzen und Blähungen, kurz: Darmalarm. Ein leichteres Los scheinen jene zu haben, die nur an Sodbrennen leiden, wobei das höllische Schmerzen bereiten kann.

„Gibt es eigentlich auch was Positives über den Darm zu sagen?“, fragte mich einmal ein Patient.

Da musste ich nicht lange überlegen „Schmetterlinge im Bauch.“

Aber die sind natürlich seltener als Blähungen. Wir essen mehrmals täglich, verlieben uns aber nicht laufend aufs Neue.

Man kann sich auch in die Wissenschaft verlieben, so ist es mir ergangen. Seit meinem Medizinstudium bin ich mit Leib und Seele auch in der Forschung tätig. Viele Jahre lang habe ich in Heidelberg als Ärztlicher Direktor in der Universitätsklinik die Abteilung für Gastroenterologie, Infektionskrankheiten und Vergiftungen geleitet. Heute bin ich in eigener Praxis und in der Forschung tätig. Zudem praktiziere ich als Notarzt und Schiffsarzt. Auf dem Weg zu meinen wissenschaftlichen Erkenntnissen habe ich manchmal sehr unkonventionell gedacht und war gelegentlich ein bisschen allein – doch die Forschungsergebnisse und vor allem: die vielen Patienten, denen ich helfen konnte, haben mich bestärkt, meine Ideen weiterzuverfolgen. Ein großer Ansporn war die Verleihung des Leibniz-Preises, der als deutscher Nobelpreis gilt und Wissenschaftler ehrt, die neue Wege gehen. Damals war ich erst achtunddreißig Jahre alt und hatte bei einem zweijährigen Forschungsaufenthalt an der Mount Sinai School of Medicine in New York herausgefunden, wie essentielle Bestandteile in die Zellen gelangen. Ich wäre sehr erstaunt gewesen, wenn man mir damals gesagt hätte, dass mir eine noch viel größere Entdeckung bevorstand, nämlich das Lecithin als Schlüssel zur Gesundheit …

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Buddha Coaching

 

Cornelia und Stephan Schwarz verbinden zwei Themen, die landläufig für Gegensätze gehalten werden. Doch Business und Buddha ergänzen sich. Ich habe viel gelernt bei diesem Buch.

 

 

Und so geht’s los:

Geschäftlicher Erfolg und geistige Entwicklung – ist das miteinander vereinbar? Oder muss man, um beruflich erfolgreich zu sein, bei den eigenen Werten ein Auge zudrücken? Im Spannungsfeld zwischen guten Absichten und der harten Realität bleiben Ideale bekannter Weise häufig auf der Strecke. Ist das als unabänderlich zu akzeptieren, wenn man Erfolg anstrebt? Oder gibt es einen Plan B?

Sie halten ihn in den Händen. Der Plan B heißt Buddha Coaching, und wer ihm folgt, schmälert seinen Erfolg gewiss nicht, denn wirklich Großes schaffen wir durch Verbindung anstatt Trennung. In den letzten Jahren wird es immer deutlicher: Menschen wollen nicht leben, um zu arbeiten, sondern suchen nach Lebensqualität und Sinnhaftigkeit in allen Aspekten ihres Lebens.

Im Buddha Coaching öffnen wir eine neue Perspektive. Coach und Klient befinden sich durch die buddhistische Psychologie in einem erweiterten Wahrnehmungsraum. Man kann unsere besondere Herangehensweise mit der Schulmedizin und der allopathischen Medizin vergleichen. In der Schulmedizin bekommt man eine Tablette für das Problem, in der allopathischen Medizin eines für das ganze System.

Im herkömmlichen Coaching wird oft nur ein bisschen an der Persönlichkeit herumgebastelt, damit dann alles wieder gut ist, das heißt, die Mitarbeiter, das Team wieder funktionieren. Denn darauf kommt es doch an? Tatsächlich? Im Buddha Coaching setzen wir andere Ziele, die die herkömmlichen jedoch beinhalten, mit dem Unterschied, dass sie schneller und leichter und vor allem auf einem direkten Weg erreicht werden. Das kommt vielen Menschen sehr zu Gute,  denn wir wollen ja alle immer schneller und größer und weiter und höher und breiter und besser werden, und das bitte gleichzeitig. Obwohl sich viele Unternehmen eine Life-Work-Balance auf die Fahne schreiben, steigt der Druck. Abschalten scheint kaum mehr möglich, alles soll jetzt gleich geschehen, und zwar perfekt. Dieser Zwang zum Perfektionismus hat eine epidemische Ebene erreicht, so diagnostiziert der Wiener Psychiater Professor Raphael Bonelli.

Da wir Menschen sind, keine Maschinen, werden wir nie fertig, bleibt vieles liegen. Wir müssen uns also noch mehr anstrengen, überall. Denn wir sind ja nicht nur berufstätig, wir sind vielleicht auch Eltern, möchten Quality-Time mit unseren Kindern verbringen, den Freundeskreis pflegen und Hobbys, uns um die eigenen Eltern kümmern, gut ernähren und Sport treiben, immer auf dem Laufenden halten, und idealerweise total entspannt sein. Denn Stress macht krank und zeigt peinlich deutlich, dass man beim Zeitmanagement versagt hat. Versagen jedoch ist das schlimmste. Versagen darf nicht sein in unserer Leistungsgesellschaft, in der wir anderen mit kreativen Posts pausenlos beweisen, dass wir noch da sind und wie gut es uns geht. Auf jeden Fall besser als anderen, was ganz schön zeitaufwändig ist, weshalb wir mit unserer Quality Time noch tiefer ins Minus rutschen. Aber dadurch, dass die anderen hoffentlich sehen, wie gut es uns geht, und das idealerweise liken, auch wenn sie hoffentlich grün vor Neid werden, erhalten wir unsere Daseinsberechtigung.  So findet das Leben größtenteils in der Außenwelt statt. Es gibt da aber noch etwas anderes, das Entscheidende nämlich: die Innenwelt. Dort befindet sich alles, was wir brauchen, um dem täglichen Wahnsinn Stand zu halten und mehr noch: ihn mit allen Sinnen zu genießen. Denn Genießen bedarf des Anhaltens, der Muße und von der Muse wird nur geküsst, wer auch präsent ist.

Buddha Coaching ist kein Notausgang, sondern ein Tor zum Licht. In den Religionen lautet die Schlüsselfrage: Glaubst du oder glaubst du nicht? Wer nicht glaubt, beneidet manchmal die Gläubigen – haben sie es nicht viel leichter, weil sie sich in ein großes Ganzes gebettet fühlen können? Der Buddhismus ist keine Glaubensfrage, ja genau genommen ursprünglich nicht einmal eine Religion, sondern eine Weisheitslehre. Die buddhistische Philosophie hat für alle Lebensfragen Antworten gefunden, sie entspringt keinem theoretischen Wissen, sondern praktischen Erfahrungen. Diese Erfahrungen kann jeder Mensch selbst machen, der sich für diesen Weg öffnet … und dann feststellen wird, wie schnell sich sein Leben zum Positiven verändert.

 

 

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Wenn das Leben stillsteht

Als Co-Autorin oder Ghostwritern habe ich schon so hinter manche Kulisse blicken dürfen. Für dieses Buch durfte ich an einer Herz-OP teilnehmen! Ich bin nicht umgekippt, es ist jedoch beim Schreiben ziemlich viel Herzblut geflossen!

 

 

Prolog

In meiner Heimat heißt es, die Seele würde im Herzen und im Hirn wohnen. Es war ein Schock für mich, als ich während meiner Ausbildung in Köln das erste Mal einen geöffneten Brustkorb ohne Herz sah. Der Patient lag auf dem Tisch, riesengroß klaffte das Loch, wo das Herz hingehört. Es war aber nicht da. Der Chef legte es mir in die Hand, ein Oberarzt bereitete das neue Herz dieses Patienten vor. Die beiden erfahrenen Kollegen führten eine Choreographie auf, die mich mit Bewunderung erfüllte. Wie sicher sie auf der Schneide des Todes balancierten, ja fast tanzten auf der grünen Bühne mit all dem blitzenden Edelstahl. Wie souverän sie Entscheidungen trafen, die über das Weiterleben des Patienten bestimmten. Der schlief tief … bekam von all dem nichts mit. Oder doch? Wo weilte seine Seele? Im Herzen jedenfalls nicht, erkannte ich in diesem Moment, denn das hielt ich in der Hand und spürte nichts, was allerdings kein Beweis war. Es war ein müdes Herz, fettbesetzt, und es hatte sich nur noch mit äußerster Anstrengung durch sein Leben geschleppt, war dabei immer größer und größer geworden und hatte es letztlich doch nicht mehr geschafft, seinen Körper gut zu versorgen. Wie ein alter, im Sterbebett liegender Mensch kam mir dieses Herz vor – und es sprach zu mir mit heiserer, ja fast schon gebrochener Stimme: Ich kann nicht mehr.

Deshalb wurde es ausgetauscht. Mit oder ohne Seele? Wie viele Herzen stehen einem Menschen zu? Und wie lebt es sich mit einem neuen Herzen oder nach einem ähnlich schweren Eingriff; wie lebt es sich nach einem harten Schicksalsschlag. Wenn das alte Normal wie aus dem Leib herausgeschnitten scheint. Vielleicht kommt es einzig und allein darauf an, die Stimme des Herzens zu hören? Wenn wir das alle tun, wie sähe unsere Welt aus?

Diese Gedanken beschäftigen mich bis heute und mit den Jahren habe ich Antworten gefunden … Einige davon möchte ich in diesem Buch mit Ihnen teilen …

 

Und es gibt sie auch in Englisch und Niederländisch:

 

 

 

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Es ist noch kein Meister in den Himmel gefallen

 

Oft findet der Verlag den Titel für ein Buch. Dieser hier ist mir vom Himmel gefallen, und ich habe ihn sofort angehimmelt … und sehr viel gelernt beim Schreiben dieses Buch mit Stephan Schwarz.

 

Und so fängt es an, mit der Überschrift: Happy End!

Was ist, wenn es aus ist? Also wenn nichts mehr ist. Gibt es das überhaupt: nichts? Oder ist da doch was? Und wenn ja, was? Himmel, Hölle, Wiedergeburt? Keiner weiß es. Doch Menschen, die ihren Blick auch nach innen wenden, sind zufriedener mit ihrem Leben, gelassener, weniger gestresst und, wen wundert‘s, auch gesünder. Sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen, hält jung! Weiterlesen

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Sei deines Glückes Buddha

 

“Wie du dich von deinen inneren Saboteuren befreist und zu dir selbst findest”, lautet der Untertitel und beim Schreiben mit der wunderbaren Cornelia Schwarz habe ich tatsächlich ein paar Saboteure in meinem Untergrund entlarvt!

 

 

Saboteure suchen, um Glück zu finden

Wer bin ich? Dieselbe wie vor zehn Jahren, wie gestern oder eine andere als vor fünf Minuten? Und wenn ich eine andere bin, bin ich das dann komplett oder nur zum Teil? Und ist das gefährlich? Nein, es ist normal, die Persönlichkeit bleibt ein Ganzes. Unter dem Label Ich scharen sich vielerlei Aspekte einer Persönlichkeit. Manche mögen wir, von manchen hätten wir gern mehr, von anderen weniger, und einige kennen wir gar nicht oder kaum: jene Teilpersönlichkeiten, die als innere Saboteure wirken. Weiterlesen

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Der Wille entscheidet

Such dir eine Arbeit, die du liebst, dann brauchst du keinen Tag im Leben mehr zu arbeiten.

Ich füge hinzu: Und lernst jede Menge. Dieses Buch war nicht nur TOTAL SPANNEND, sondern ich habe auch in eine mir bis dahin unbekannte Welt geblickt …

 

 

 

Flughafen-München, 23. Oktober 10:23 Uhr

Die Schlange am Security Check war eigentlich zu lang für die achtundvierzig Minuten, die mir bis zum Start noch blieben. Dass ich mich heute am Flughafen befand, war für mich selbst ein wenig überraschend. Geplant war eigentlich ein Sicherheitstraining bei einem bayerischen Automobilzulieferer. Erst vor knapp drei Stunden hatte ich von der Entführung erfahren: Vor der Küste Nigerias war ein Tanker angegriffen und mindestens die Hälfte der Besatzung entführt worden. Mehr wusste die Reederei in Bremen selbst noch nicht. Aber es hatte einen Schusswechsel gegeben.

„Tote? Verletzte?“, hatte ich mich erkundigt.

„Das steht zu befürchten. Wir sind um fünf Uhr morgens über den Vorfall informiert worden. Sie wurden uns empfohlen. Können Sie sofort nach Bremen kommen?“

„Ich krieg‘ die Krise“, stöhnte eine füllige blonde Frau in der Schlange vor mir, während sie in ihrer Tasche wühlte, ihrem Tanker sozusagen. In einer Krise, ob klein oder groß, international oder privat, herrscht Chaos wie in mancher Handtasche. Jeder Mensch erlebt Krisen, auch durch persönliche Schicksalsschläge und die Geschichte seiner Zeit – Finanz-, Unternehmens-, Klimakrise. Was den einen vor große Herausforderungen stellen kann, mag für den anderen nicht einmal der Rede wert sein. Während in meinem Kopf ganz automatisch ein Plan des Flughafengebäudes mit allen sichtbaren Notausgängen, Fluchtwegen und Besonderheiten entstand, beschäftigte sich die Dame vor mir ebenfalls mit Orientierung, allerdings im kleineren Rahmen. Sie kippte den Inhalt der Tasche in eine der grauen Wannen am Security Check. Eine kluge Entscheidung! Erst mal ein klares Bild der Lage verschaffen. Das war auch der Grund meiner Reise nach Bremen.

Ich habe mit Kriegsverbrechern, Entführern, Piraten und Erpressern verhandelt, die damit drohten, andere zu foltern und zu töten. Von meiner Strategie, von meinem Verhandlungsgeschick hängt manchmal das Leben der Entführten ab. Diesem psychischen Druck – zumal, wenn ich mit den Sorgen und dem Schmerz der Familienangehörigen der Opfer konfrontiert bin – kann ich nur standhalten, weil mir die Bewältigungsstrategien in Fleisch und Blut übergegangen sind. Das ist der Zweck und Vorteil des extremen Drills in einer Elitetruppe. Auch hier bewährt sich das KSK-Prinzip – im Ernstfall sichert es das Überleben, denn eine Krise ist immer auch ein Angriff auf das gewohnte Leben, und bei Entführungsfällen auf das der Geiseln.

Die Mehrheit der Deutschen geht davon aus, niemals entführt zu werden. Und damit hat sie recht. Doch im Ausland sind Entführungen an der Tagesordnung. Die meisten Entführungen werden derzeit in Mexiko verzeichnet. Die sogenannten Express-Kidnapper begleiten die Angehörigen der Geiseln serviceorientiert gleich zum nächsten Geldautomaten. Es kann jeden treffen, auch ärmere Menschen. In vielen Ländern kommt es zu politisch motivierten Entführungen – es wird sozusagen ein Statement gesetzt. Das Lösegeld kassiert man trotzdem. Sogar wenn die Entführung gefaked ist: Auch virtuelle Kidnaps, vorgegaukelte Entführungen, nehmen zu. In Brasilien funktioniert dieses Geschäft mit der Angst sehr gut, vorausgesetzt, jemand ist gerade nicht erreichbar, was die Entführer wissen. Klassische Entführungen, bei denen Kriminelle Lösegeld fordern, kommen derzeit vor allem in Westafrika vor. Cybererpressungen können weltweit jeden treffen – auch das gehört zu meinem Tagesgeschäft.

 

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Alles eine Frage der Einstellung

 

Es war mir eine große Freude, tief in das Leben dieser großartigen Schauspielerin einzutauchen!

 

 

Traktor statt Besprechungscouch

Die Anfrage klang interessant.  Ob ich die Rolle der Mutter im Bergdoktor spielen wollte. Bergdoktor? Der lief doch auf SAT1 mit Gerhard Lippert, da hatte ich sogar mal mitgewirkt. Ich erfuhr, dass der Titel vom ZDF gekauft worden war. Das Drehbuch gefiel mir. Die Mama sowieso. Ja, ich wollte gern dabei sein.

„Super“, sagte meine Agentin. „Drehbeginn ist nächste Woche.“ Das brachte mich in die Bredouille. Ich saß ja noch in Schottland. Das neue Engagement war mir eigentlich zu knapp. Es kam mir auch komisch vor. So überstürzt würde man in einer Serie keine Rolle besetzen. Mein Gefühl sagte mir, dass die Rolle schon vergeben war, aber aus irgendwelchen Gründen umbesetzt werden sollte. Vielleicht war jemand erkrankt, hatte kurzfristig abgesagt. Jahre später erfuhr ich, dass mein Verdacht stimmte. Vor Drehbeginn gab es wohl ein Gespräch, in dem Zweifel geäußert wurden, ob die Darstellerin der Mama des Bergdoktors Traktor fahren könne. Axel de Roche, Regisseur der ersten Staffel des Bergdoktors, brachte mich ins Rennen: „Ich kenne eine, nämlich die Monika Baumgartner, die kann das bestimmt.“

Sonntagabend kam ich aus Schottland zurück, Montagmorgen fuhr ich nach Ellmau zur Kostümprobe, und am Mittwoch begannen wir zu drehen – mit einer Bewährungsprobe für mich. Jetzt musste ich zeigen, ob ich wirklich Traktor fahren konnte. Mein Gefährt war alt, die Kupplung hatte ein Eigenleben, außerdem musste ich Zwischengas geben.

Lisbeth holt ihren Sohn Martin, der aus New York zu Besuch kommt, mit dem Traktor ab. Locker steuert sie das Gefährt auf einer schmalen kurvenreichen Straße. Martin sitzt neben ihr, sie unterhält sich mit ihm. Ihr Gesicht ist entspannt. Sie fährt den Traktor als wäre sie darauf geboren, logisch, das ist sie ja auch irgendwie. Deshalb stört sie der meterlange Anhänger auch nicht, den der Traktor zieht und der das Fahrverhalten stark beeinflusst. Beschaulich geht es oberhalb des Hintersteiner Sees entlang, bergab, bergab, bergab und das Riesenlenkrad und die Kupplung und das Zwischengas. Vor dem Traktor ein Gewusel. Regie, Kamera, Ton, Requisite, Maske und viele Assistenten.

„Stopp!“

Die Kamera soll neu eingerichtet werden. Der Traktor steht abschüssig. Ich drücke Kupplung und Bremse. Mein linkes Bein beginnt zu zittern. Wenn jetzt was passiert, schießt es mir durch den Kopf.

„Geht’s halt a bisserl zur Seite!“, rufe ich ins Team.

Doch die sind beschäftigt.

„Geht’s amal weg von da vorn!“, rufe ich erneut und winke sogar.

Aber keiner hört auf mich. Keiner sieht eine Gefahr. Warum auch? Ist doch die Baumgartnerin. Ist doch die Gruberin. Wenn eine Traktor fahren kann, dann die. Vorspann für Vorspann fuhr ich in den nächsten Jahren auf dem Traktor in die neueste Folge der Serie. Und wenn ich sie manchmal anschaue, spüre ich noch immer mein Bein zittern.

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Das Glück hat vier Pfoten

Ich liebe es, über Hunde zu schreiben. Und jetzt ist das dabei herausgekommen:

 

Wer ist hier eigentlich der Chef?

Eines Morgens erkannte ich, dass mehr in meinem Hund steckt als ich ahnte – und das war bereits eine Menge. Doch diesmal ging es nicht um Intelligenz und Fähigkeiten oder Treue und andere alt bekannte hundliche Eigenschaften. Geistesblitz! Sondern um seine Führungsqualitäten. Es kann gut sein, dass mein Hund jahrelang für diese Leitung gebuddelt hat, bis das Lämpchen in meinem Kopf endlich leuchtete. Menschen sind zuweilen ein wenig schwer von Begriff. Ich nehme an, dass ich kein Einzelfall bin.

Am Abend vor meiner Erkenntnis war ich mit einer ellenlangen Liste ins Bett gegangen, was ich am nächsten Tag alles erledigen sollte. Beim Aufstehen arbeitete ich weiter an der Liste, überlegte mir im Bad eine Reihenfolge, zwischendurch fiel mir der Hund ein, und ich fragte mich, wann ich Gassi gehen sollte. Spazierengehen, allein das Wort machte mich nervös. Es passte überhaupt nicht zu dem bevorstehenden Tag, den ich nur im Dauerlauf bewältigen würde. Am besten ich begann gleich beim Zähneputzen mit Aufwärmgymnastik … wie funktioniert diese Turnübung gleich noch mal, mit der man hundert Jahre alt wird?

Mein Hund ist Langschläfer. Er genießt jede Sekunde, die er morgens auf seinem Schaffell döst. Falls ich vor sechs Uhr aufstehe, kneift er die Augen besonders fest zu. Selbst wenn etwas zu Boden fällt, rührt er sich nicht. Ich habe gehört, dass andere Hunde, egal, zu welcher Uhrzeit ihre Rudelmitglieder begeistert begrüßen. Meiner hält sich an die Geschäftszeiten. An seine, wohlgemerkt. Doch es war bereits sieben, was mich noch nervöser machte, da ich schon eine Stunde VERLOREN hatte, weil ich länger geschlafen hatte, weil ich eine Weile nicht eingeschlafen war, weil ich dauernd an die Liste gedacht hatte, die ich nachts schon begonnen hatte abzuarbeiten, leider erfolglos. Hätte ich mich mal besser an die Geschäftszeiten gehalten!

Der Hund lag auf dem Schaffell unter dem Küchentisch, wie meistens am Morgen. Ich habe ein Bett, er drei. Zähle ich das Sofa mit, vier. Aber das nur am Rande. Der Hund hatte mich natürlich längst auf dem Radar. Aber nein, er war nicht aufgesprungen, als er meinen sich Richtung Wachwerden veränderten Atem aus dem Schlafzimmer hörte oder die Zahnbürste im Badezimmer. Er suchte auch nicht nach meinen verlorenen sechzig Minuten. Such, such, wo ist die Stunde, bring sie!

Er erhob sich erst jetzt. Langsam. Streckte sich behaglich, machte sich, die Pfoten weit nach vorne, lang, verließ gemächlich, fast möchte ich behaupten aufreizend langsam sein Bett, dehnte weiter, nun auch die Hinterbeine. Schüttelte sich. Sah ich da Traumfetzen aus seinem Fell spritzen oder war das mein blinkendes Coffein-Rotlicht? Schwanzwedelnd, aber nicht übertrieben eilig, kam der Hund zu mir. Sein Tag war nigelnagelneu. Von Stress keine Spur, woher auch. War doch alles prima und Liste kannte er nur ohne E. Wie ein frisch gegrabener Fuchsbau lag dieser Tag vor meinem Hund. Verlockend duftend, wunderbar. Was würde heute alles Tolles geschehen? Ein Höhepunkt stand unmittelbar bevor: der Napf. Mein Hund leckte sich übers Mal. Grunzte vorfreudig. Rieb seinen Kopf an meinem Bein, die Katzennummer. Meine Liste ging in die Knie und ich sowieso. Ich sagte all diese Sachen, die man vor Zeugen nicht wiederholen möchte. Jeder Hundefreund hat seine Geheimsprache.

Das war jetzt keine neue Erfahrung, dass der Hund mich beruhigt. Das ist auch wissenschaftlich erwiesen, der Blutdruck sinkt, der Herzschlag verlangsamt. Man braucht keine Tabletten, bloß Hund streicheln. Wir schmusten ein bisschen, dann fiel mir meine Liste ein, und ich stand auf, die Kaffeemaschine anzuschalten. Für den Tag, der vor mir lag, benötigte ich besonders viel Schwung, ich dosierte das Pulver großzügig. Das war sozusagen mein Napf: die Tasse Kaffee am Morgen.

Der Hund streckte sich noch mal. Aus seiner Yogastellung heraus schaute er mich an. Offen, freundlich, aufmerksam. Warme braune Augen, tiefer Blick. Du Hund, ich Mensch. Wieso sollte ich mich beeilen? Was konnte ich verpassen außer diesem Augenblick? Was würde eines Tages im Album meines Lebens zählen? Wie schnell ich das Haus an diesem Morgen verlassen habe oder die innige Begegnung mit meinem lieben Hund? Was war mir wichtig, und wenn ich es wusste, warum machte ich es nicht einfach? Ich ließ mich zu Boden gleiten, nahm den Vierfüßlerstand ein und ahmte nach, was mein Hund vorgeturnt hatte. Ich dehnte und reckte und streckte mich. Der Hund beobachtete meine Verrenkungen, ich würde behaupten wohlwollend. Meine Liste rutschte in kleinen Fetzen von meinem Leib …

 

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Seelengefährten auf vier Pfoten

Die Zusammenarbeit mit Dr. Wilma Staffa war sehr inspirierend für mich und hat meine Sichtweise auf die Medizin und die Verbindung zwischen Mensch und Tier sehr bereichert.

 

 

Der Tanz der Liebe

Eines Abends nach einem langen Tag in meiner Praxis stand ich am Fenster. Eben erst hatte sich die Tür hinter dem letzten Patienten geschlossen. Meine Mitarbeiterinnen waren bereits zu Hause. Kurz genoss ich die Stille nach all den Tieren, Tränen, Tabletten. Da sah ich die beiden, Frau Moltke und Rex. Seit’ an Seit’ gingen sie durch den nebligen Dezemberabend. Aber sie liefen nicht rund, sie hinkten. Beide! Es wirkte als tanzten sie ihre ganz eigene Choreographie. Der sechsjährige Schäfer hatte seit zwei Jahren Arthrose. Eigentlich zu früh. Wenn es nass und kalt war, verschlimmerten sich seine Symptome, deshalb war Frau Moltke heute bei mir gewesen. Und wie immer hatte sie gefragt „Kann man denn da gar nichts machen?,“ und ich hatte zusätzlich zur Schmerztherapie ein Präparat empfohlen für den Knochenaufbau. Neulich hatte ich eine Studie gelesen, die mir vielversprechend erschien. Frau Moltke wollte das Präparat gerne ausprobieren. Weiterlesen

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