Warum bist du nicht, wie ich dich gerne hätte

Dieses Buch in Zusammenarbeit mit der klugen Casy Dinsing,

wer kennt sie nicht … BETTER CALL CASY …

hat meine Perspektive auf die Liebe inspiriert!

 

 

Sprich mit mir!

Der klassische Satz, mit dem eine Frau mir das Problem mit ihrem Mann erklärt … nein, eigentlich erklärt sie mir das Problem Mann: »Er redet nicht.«

Während sie selbst eher selten Wortmangel kennt und ausführt: »Und wenn ich mit ihm rede, dann sagt er nichts.« Sie präzisiert: »Er schweigt die ganze Zeit.« Und schildert, was sie dabei empfindet: »Das macht mich wahnsinnig.« Sie beginnt zu philosophieren: »Ich weiß nicht, was er denkt, ich weiß nicht, was er fühlt.« Sie spannt den Bogen in die Wissenschaft: »Denkt und fühlt er überhaupt was?« Und entwickelt eine Theorie: »Wenn ich mit ihm über unsere Beziehung reden will, ist es am schlimmsten. Da habe ich manchmal den Eindruck, er lässt das nur über sich ergehen. Vielleicht zählt er im Stillen bis hundert, und das immer wieder von vorn, und hofft, dass es bald vorbei ist?«

Ja, möglich ist das, denke ich, die ich allerdings noch nicht zu Wort komme, da meine Klientin das eben Gesagte inhaltlich noch dreimal mit anderen Worten wiederholt. Gerade so, wie wir Frauen es gern im Gespräch mit Männern machen, wenn uns sein Schweigen, das wir mit »Nicht-verstanden-Haben« und manchmal auch mit »Nicht-verstehen-Wollen« übersetzen, zu noch mehr Reden motiviert. Aber das ist nicht so. Sehr oft ist es nämlich ein Nicht-verstehen-Können. Und da hilft auch fünfmaliges Wiederholen nicht. Wenn der Partner überfordert ist und dichtgemacht hat, geht nichts mehr rein. Es handelt sich also nicht um Respekt- oder Lieblosigkeit. Die männliche Logik lautet: »Sag nichts, was gegen dich verwendet werden kann.« Er fühlt sich ja ohnehin schon wie auf der Anklagebank.

Männer ticken kommunikativ anders als Frauen. Eher etwas laid back als in double speed. Letzteres ist unsere Stärke: Unsere Gedanken sind manchmal mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs, während seine entspannt durch die Galaxis bummeln. In den letzten Jahren meiner Arbeit mit Paaren hat sich der Eindruck verfestigt, dass das auch ein wenig generationen- und bildungsabhängig zu sein scheint. Bei jüngeren Paaren sind die Männer oft genauso kommunikativ wie die Frauen oder zumindest nah dran.

Die Sprache der Frauen

Unser Kommunikationsverhalten unterscheidet sich im Kern von dem der Männer. Wir Frauen wollen reden. Über fast alles. Und nicht nur lang und breit, sondern auch hoch und tief. Wir verschwenden mehr Worte, als Männer das tun. Die sind eher sparsam. Und das verunsichert uns oft. Unser Heilmittel gegen Verunsicherung? Richtig: noch mehr reden! Also reden wir immer breiter und länger und höher und tiefer in der Hoffnung, ihm etwas verständlich zu machen. Aber es wird nicht besser. Im Gegenteil. Solche Wortfluten machen ihn vorsichtig: lieber nichts sagen als etwas Falsches sagen! Folglich sagt er nichts und sitzt da, als würde er krampfhaft versuchen, den Eindruck zu erwecken, er höre zu. Ruckelt er da nicht verstohlen auf dem Stuhl herum, geradeso, als wollte er fliehen? Und was ist mit dieser temporären Abwesenheit im Blick? Was geht in ihm vor?

»Vermutlich wenig bis nichts, außer vielleicht dem diffusen Gefühl, in Probleme geraten zu sein«, sage ich zu meiner Klientin. Sie lacht laut auf. Hält das für einen Witz. Es ist aber keiner. Ein solches Beziehungsgespräch als weiblicher Monolog artet schnell in Stress und Überforderung aus. Die Folge: Das Gegenüber schaltet ab, denkt an nichts mehr, blank mind. Männer können das! Vielleicht ungünstig in Beziehungsgesprächen, aber grundsätzlich beneidenswert.

Am stärksten fällt mir dieser Unterschied immer abends auf. Viele Frauen kennen es bestimmt: Es ist Zeit, ins Bett zu gehen, und tausend Gedanken wirbeln noch durch den Kopf. Der Mann, kaum dass sein Kopf das Kissen berührt, ist weg, er schläft. Wie geht das? Was für eine fantastische Fähigkeit: nicht ständig Hunderte von Wörtern, Bildern, Filmen, Ideen im Hirn. Das Gedankenkarussell pausiert.

Darüber kann man sich lustig machen, man kann aber auch davon lernen. Was jetzt nicht heißt, dass ich ständiges Schweigen für die allzeit beste Lösung halte. Und es läuft ja was ab im Mann bei Beziehungsgesprächen. Aber nicht mit so vielen Worten und nicht zu vergleichen mit dem, was wir für normal halten, weil es unserer Lebenswirklichkeit als Frau entspricht.

Vielleicht haben wir Fehler Nummer eins gemacht: Wir haben angekündigt, dass wir »mal reden müssen«, mit ernstem Gesicht. Das hat den Mann sofort in den Alarmmodus versetzt, und der bedeutet oft: »Vorsicht, was du sagst, es könnte gegen dich verwendet werden.« Besser wäre es gewesen, wir hätten das, was wir sagen wollen, nebenbei eingeflochten, in entspannter Atmosphäre: »Ach, Schatz, übrigens, ich wollte dich mal bitten, dass du …« Oder: »Du, mir ist aufgefallen, dass …«

Fakt ist: Männer können gut über Sachen reden. Aber zu viel »Gefühlszeug« führt sie schneller aufs Glatteis. Nicht alle, aber doch etliche, und die am meisten genutzte Strategie ist es dann eben zu schweigen. Zur Sicherheit. Um das zu verhindern, hilft es oft, im Gespräch die Sache, um die es geht, klar von den Gefühlen, die es bei mir auslöst, zu trennen und anschließend die Gefühle zu begründen. Zum Beispiel so: »Als du das und das getan hast, habe ich das so und so verstanden, und das hat das Gefühl von XY in mir ausgelöst.« Wenn ich meine Botschaft so formuliere, ist die Chance deutlich höher, dass er nicht zumacht. Und wie wäre es, das Beziehungsgespräch vielleicht ein wenig zu portionieren? Denn wenn Beziehungsgespräche zu lange aufgeschoben werden, mutieren sie oft zu einem Rundumschlag, der ihn erst recht überfordert. Und damit ist dann auch nichts gewonnen.

Ich habe eine Freundin, die ist ein Ass beim Tischtennis. Ihre Schmetterbälle sind schneller, als das menschliche Auge sehen kann, und sie hat auch schon versierte Vereinsspieler verblüfft. Doch sie ist nur hervorragend, solange nicht gezählt wird. In dem Moment, in dem ein Wettkampf daraus wird und nicht mehr »nur gespielt«, sondern wenn es »ernst« wird, kriegt sie kaum einen Ball über die Platte.

So ähnlich kannst du dir das mit Männern und Beziehungsgesprächen vorstellen. Solange man sich ein bisschen darüber unterhält, was man gern hat, du und ich und dies und das – alles im grünen Bereich. Aber wenn es ernst wird, dann geht wenig bis nichts mehr. Nicht aus Verweigerung, sondern oft aus Überforderung. Und dann wird geschwiegen. Und so, wie Männer von unseren Wortfluten überfordert sind, sind wir es von ihrem Schweigen. Eine Pattsituation.

Da hilft in genau dem Moment nur eines: unterbrechen, vertagen. Es wird kein Problem wirklich gelöst, wenn einer der Gesprächspartner überfordert ist. Denn wer überfordert ist, kann sich gar nicht mehr auf den anderen konzentrieren, geschweige denn einlassen. Überfordert zu sein, bedeutet, innerlich in den Verteidigungsmodus zu gehen. Die weibliche Verteidigungsstrategie ist eher wortgewaltig, die männliche wortkarg.

Die Flut der Wörter

»Meine Frau redet ziemlich viel, also finde ich«, unsicher schaute der Klient mich an. Ich versuchte als Erstes, herauszufinden, wie viel »ziemlich viel« für ihn war. Er erzählte mir von einem typischen »Schatz, wir müssen reden«-Gespräch. Ein Gespräch, das er nicht einmal mehr genau wiedergeben konnte. Dafür kam einfach zu viel. Es war der aufgestaute Rundumschlag, der sich wie eine Flutwelle über ihn ergossen hatte. Sein Rettungsboot: Er schwieg.

Das Schweigen löst in uns Frauen manchmal sehr unangenehme Gefühle aus: Warum sagt er nichts, will er mich provozieren? Der hört mir gar nicht zu, ist der überhaupt an unserer Beziehung interessiert? Der will ja gar nichts verändern, ich bin ihm wohl egal … Manchmal glauben wir Frauen sogar, dass er sein Schweigen als Waffe benutzt, um uns zu verletzen. Oder uns quasi aushungert, Worte sind ja eine Art Nahrung für viele von uns.

Eher ist es allerdings so, dass unsere vielen Worte im Mann durchaus Gefühle auslösen, vor allem nämlich Sorge und Verzweiflung, in der er erstarrt. Ein Klient hat das mal so beschrieben: »Ich würde ihr wirklich gern erklären, wie das ist, wenn sie so viel redet. Aber ich weiß, dass ich sie damit verletze, dass sie denkt, ich nehme sie und ihre Gedanken und Gefühle nicht ernst. Aber das stimmt nicht.«

Ein anderer fand dafür folgende Worte: »Wenn ich mit meiner Frau in so einer Situation feststecke, hoffe ich immer nur, dass es bald vorbei ist. In den Tagen danach gebe ich mir besonders viel Mühe mit Dingen, die ihr im Alltag wichtig sind, auf die sie Wert legt. Oder ich mache irgendwas, worüber sie sich freut, was sie überrascht. Und ich hoffe, dass ich damit gezeigt habe, wie wichtig sie mir ist.«

Wenn wir in Beziehungsgesprächen mit Männern im Hinterkopf behalten, dass wir sie manchmal schneller als vermutet überfordern, können wir unsere Rede darauf abstimmen und haben bessere Chancen, den Mann zu erreichen. Es gibt in der Kommunikation einen Sender und einen Empfänger, und solange der Empfänger nicht empfangsbereit ist, kommt auch keine Sendung an. Also sag, was du sagen willst, aber bitte nur einmal. Schließ keine Beispiele an, komm nicht von Hölzchen aufs Stöckchen.

Nutze das Beziehungsgespräch auch nicht dazu, reinen Tisch machen zu wollen – à la »Schon als wir uns kennengelernt haben vor fünf Jahren, ist mir aufgefallen, dass du …«.

Beschränke dich auf ein Thema, eine Sache, statt dich mit Schrotkugeln kommunizierend in Rage zu reden: Gerade hast du ihm erklärt, wie du dich fühlst, wenn du morgens entdeckst, dass dein Müsli futsch ist, weil er es aufgegessen – seins war leer – und nicht nachgekauft hat. Da fällt dir ein, dass man, wenn man schon staubsaugt, vielleicht mal den Beutel wechseln könnte … Apropos wechseln, wie war das noch mal mit den Winterreifen? Ach ja, und er hat noch nicht gesagt, wo er den Urlaub verbringen will. »Ich hab dir bereits letzte Woche die Mail mit den Angeboten der Hotels weitergeleitet.« Und hat er sich endlich über Kaminöfen informiert, da haben wir ja neulich drüber geredet, alle Leute kaufen sich doch jetzt solche Bolleröfen.

»Kannst du eigentlich Holz hacken?«

»Holz hacken?«, fragt der Mann. Jetzt ist er wieder im Spiel. »Klar.«

Ich weiß, dass diese Gedankensprünge für viele Frauen normal sind. Ein kleines bisschen spielt unsere Evolution auch mit rein. Wenn unsere Vorfahrinnen als Sammlerinnen unterwegs waren – Beeren, Pilze, Kräuter –, schauten sie überallhin, nahmen hier und da Details wahr, merkten sich dies und das und jenes. Männer als Jäger behielten ein Tier im Auge, konzentrierten sich auf die eine Sache, die es zu tun galt. Diese Wahrnehmungsverteilung finden wir heute immer noch. Frauen bummeln durch die Stadt, gehen an einem Schaufenster vorbei, schauen gar nicht richtig rein und sagen: »Da hinten in der Ecke. Was für eine coole Sonnenbrille!«

»Wo?«, fragt der Mann, dem es schleierhaft ist, wie man von außen bei dieser schummrigen Beleuchtung etwas hinten in einer Ecke entdecken kann.

Welcher Kommunikationsstil ist nun besser? Beide. Mal ist der eine vorteilhaft, mal der andere. Wenn wir verstanden werden wollen, müssen wir die Bedürfnisse des Empfängers kennen, sonst können wir noch so viele Worte verschießen, sie landen im Nirgendwo. Es heißt: »Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.« Sonst wird das nichts.

Und genau darin liegt die große Herausforderung. Wenn frau sauer ist, enttäuscht oder sogar wütend, dann ist die Versuchung groß, das einfach mal rauszuhauen. Unsere Gefühle brauchen ein Ventil, und das ist eben oft, zu reden, viel zu reden und auch zu überzeichnen. Damit meine ich, dass Gefühle in Gesprächen auch dazu führen können, dass wir unfair werden, dass wir übertreiben, Dinge größer machen, als sie sind.

Das Problem ist: Sind die Worte einmal raus, können wir sie nicht mehr zurücknehmen. Wer sich nach einem Streit nicht entschuldigen möchte, sollte im Streit aufpassen, was er sagt. Denn mit diesen Anschuldigungsdrama-Wortfluten ist selten wirklich etwas gewonnen, auch wenn es sich befreiend anfühlt. Der innere Mechanismus dahinter zielt übrigens darauf ab, sich selbst als »richtig« zu bestätigen: »Ich bin richtig, du bist falsch. Et voilà: Ändere dich!« Und, hat das je wirklich geklappt?

In der Kommunikationstheorie weiß man um die großen Gesprächsfallen: »Gesagt, gemeint, gehört, verstanden.« Reichlich Spielraum, um zwischen Sender und Empfänger, Mann und Frau für Verwirrung zu sorgen. Alles, was wir wahrnehmen, interpretieren wir. Und wir werden interpretiert. Das, was wir sagen, genauso wie das, was wir tun.

»Hörst du mir eigentlich zu?«

»Ja«, sagt er. Denn das tut er ja. Auch wenn er keine Ahnung hat, worum es eigentlich beziehungsweise inzwischen geht. Aber er hört zu.

Sie zieht eine Augenbraue hoch. Schlechtes Zeichen. Ganz schlechtes Zeichen.

»Was habe ich eben gesagt?«, fragt sie. Als wäre er ein Schuljunge. Das ist so demütigend.

»Dass ich dir mehr Komplimente machen muss«, wiederholt er das, was sie, wie er glaubt, ganz am Anfang mal gesagt hat. War das nicht sogar der Auslöser für das Gespräch? Damit hat er sich dann innerlich beschäftigt und irgendwie den Anschluss verloren.

Mit seiner Antwort hat er einen schweren Fehler begangen. Mal abgesehen davon, dass sie das mit dem Kompliment vor einer halben Stunde gesagt hat, es war ja nur das Intro. Kompliment und muss in einem Satz? Autsch. Hat er denn gar nichts kapiert?

Wir können uns oft nicht vorstellen, dass unsere Interpretation des anderen nicht stimmt. Und doch ist es oft so. Vielleicht interpretiert sie seine Verzweiflung in diesem Gespräch auch falsch. Schlussfolgert, dass er kein Interesse an ihr hat, dass er eigentlich nur an ihre Nachbarin denkt, sie hat doch gesehen, wie er die angeschaut hat – und so weiter, und so fort.

Warum es einfach machen, wenn es auch kompliziert geht? Kompliziert können wir Frauen, o ja! Und der Mann? Der hat gelernt, beim nächsten Mal von Anfang an gar nichts zu sagen. Noch besser: jeder Beziehungsdiskussion aus dem Weg zu gehen. Sobald eine am Horizont auftauchen könnte: nix wie weg.

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