Schlagwort-Archive: Aus der Menschenhütte

Ode an die Fingerknöchelchen

Hauspost CoverbildUnglaublich eigentlich diese Fingerknöchelchen. Ich habe in meinem Leben wahrscheinlich mehrere zehntausend Seiten getippt. Im Rechnen bin ich eine Null, vielleicht auch hunderttausende von Seiten bei 70 veröffentlichten, 7 unveröffentlichten Büchern, und nicht zu vergessen der Blog! Und die Mails. Und der ganze Rest. Die Fingerknöchelchen haben mitgemacht. Immer einsatzbereit, immer frisch geschmiert, motiviert. Danke ihr kleinen Knöchelchen!

Teile diesen Beitrag

So blaut blüht der Enzian

Hauspost Coverbild

Und meine Fantasie blühte noch viel bunter. Heino, den schon wegen seiner Brille ein dunkles Geheimnis umrandete, sang: In der ersten Hütte, da haben wir zusammen gesessen. In der zweiten Hütte, da haben wir zusammen gegessen. In der dritten Hütte hab ich sie geküsst. Keiner weiß, was dann geschehen ist.

Ich war ein Kind, und ich wollte wissen, was dann geschehen war. Was hatte Heino in dieser Hütte gemacht? Die Bille abgenommen? Ich hatte noch viele andere Ideen. Dass ich nun eines morgens mit dem Refrain im Ohr aufwache, ist mir rätselhaft. Aber immerhin frage ich mich nicht, was Heino gemacht hat, ich frage mich, wer mir diese Brillenwurm ins Ohr gesetzt hat.

Teile diesen Beitrag

Die Beichtmutter

Hauspost CoverbildDer Ghostwriter von Helmut Kohl hat sich materialisiert und ausgeplaudert, was ihm anvertraut wurde. Ach! Ich könnte ja auch so viel Interessantes erzählen. Nach rund 40 Büchern als Ghostwriterin … und was für interessante und tolle und verrückte und beeindruckende Menschen ich da kennengelernt habe. Aber Ghostwriting ist wie Beichte oder Psychoanalyse. Nicht Klappern, sondern Schweigen gehört zum Geschäft, weiß die Beichtmutter.

Teile diesen Beitrag

Wischen statt blättern

Hauspost CoverbildEs ist dann mal wieder so weit. Meistens im November kaufe ich mir einen neuen Kalender. Er ist noch ganz nackt. Zur Auswahl besuche ich manchmal mehrere Geschäfte. Der Kalender ist ein wertvoller Begleiter. Ich bewahre ihn auf. Könnte unter Mordverdacht aussagen, wo ich vor fünf Jahren um 16 Uhr gewesen bin. Jeder Kalender sieht anders aus. Ich wechsle Jahr für Jahr Format und Stil. Und dann genieße ich ein lieb gewonnenes Ritual, wenn ich in dem nigelnagelneuen Kalender blättere, alle Seiten leer. Wie schön das ist. Noch gar kein Eintrag, keine Pflicht, keine Erinnerung. Bald schon wird er voller Notizen und Termine sein. Ich beginne mit der Übertragung der Geburtstage meiner Freundinnen und Freunde. Jahr für Jahr wundere ich mich, wie alt sie sind. Im Durchblättern des alten Kalenders lasse ich auch dieses Jahr Revue passieren. So kann schon mal eine Stunde vergehen oder zwei. Dann bin ich vorbereitet auf ein neues Jahr. Möge es ein gutes werden.

Teile diesen Beitrag

Der Bestseller-Tremor

Hauspost CoverbildWenn ich hin und wieder zu einem Bestseller greife, dann greife ich mir danach schon mal an den Kopf, um sein Schütteln zu stoppen. Wenn das Lesen schon eine Tortour ist, wie muss sich dann erst das Schreiben gestalten. Die armen KollegInnen. Und viele dieser Werke sind ja der zweite bis achte Aufguss des Vorgängers. Wie langweilig. Wie berechenbar. Ich ertappe mich dabei, aufmunternde Zeilen zu formulieren, um die BestsellerautorInnen zu trösten. Aber natürlich kenne ich auch Bestseller, die ich in Ehren halte und bei denen ich zum Kopf greife, um das begeisterte Nicken zu stoppen.

Teile diesen Beitrag

Hauptberuflich Schicksal

Hauspost Coverbild

Natürlich könne man sagen, dass auch ein Bäcker Schicksal spielt. Welche Teigsorten klebt er zusammen und backt daraus einen Laib? Doch die Laiber werden gegessen. Was von meinen Leibern, die ich erfinde, hoffentlich nicht behauptet werden kann. Verschlingt sie, verleibt sie euch ein, daran labt sich die Schicksalsbäckerin.

Teile diesen Beitrag

Bücherlaib

Hauspost CoverbildNoch ein Grund, warum ich Bücherlaibe vorziehe. Altes Brot ist nahrhaft. Aus gelesenen Büchern fallen zuweilen Erinnerungen. Gestern eine Bordkarte. Mensch, da war ich ja auch mal. Aus dem Nichts materialisierte sich der ältere Herr, der auf dem Flug neben mir gesessen war. Ich hatte ihn vergessen geglaubt. Aber ein Haus, ein Buch verliert nichts.

Teile diesen Beitrag

Widmungen

_MG_3900Viele LeserInnen interessieren sich sehr dafür, wem ein Buch gewidmet ist. Was verrät diese Widmung über die Autorin, den Autor? Wenn dort beispielsweise zu lesen ist: Für Peter, Monika und Inge, schlagen sie sofort in den biografischen Daten nach und glauben zu erkennen, wer sich dahinter verbirgt, zumal die Autorin verheiratet ist und zwei Kinder hat. Aber wer ist J. K. ?

Und kann J. K. überhaupt stolz sein, wenn er verstümmelt bewidmet wird? Ist er vielleicht verstümmelt, weil er selbst gar nicht genannt werden möchte? Sollte man vorher um die Genehmigung fragen, ehe man einem anderen ein Buch widmet? Das kann ich gern beantworten, sobald mir mal ein Buch gewidmet wurde. Bis dahin halte ich es mit Schokolade: Ein Buch ist ein Überraschungsei.

Teile diesen Beitrag

Zum Abheben: Beim Lesen landen

Hauspost CoverbildZurzeit recherchiere ich für ein Sachbuch und lese viel. Was gibt es zu dem Thema, das ich beschreiben werde. Ich habe lange nichts mehr gelesen, was ich als Buch bezeichne. Ein Buch ist eine eigene Welt. Ich war lange nicht mehr in einer anderen Welt. Sachbücher mögen einem auch Welten erschließen. Aber nicht die Welt. Endlich nehme ich mal wieder ein Buch zur Hand. Ich bin ganz sicher, dass es darin eine Welt gibt. Doch sie bleibt mir verschlossen. Bis ich merke: Ich habe das Lesen verlernt. Ich tauche gar nicht ein. Ich lese nicht tief, sondern flach. Ich suche Informationen, anstatt Impressionen. Ich gehe mit dem Hund raus. Fange danach noch mal klein an als ABC-Schützin und hoffe auf Besserung. Abends immerhin: Ein Blick durchs Schlüsselloch.

Teile diesen Beitrag

Die Frucht der Furcht

Hauspost CoverbildIrgendwann einmal werde ich alle meine Bücher lesen. Und ich fürchte mich davor. Ich sage: Wenn mir mal langweilig ist, tu ich es. Allein das ist ein Grund, nie an Langeweile zu leiden. Oder ich sage: Wenn ich mal im Gipsbett liege für sechs Wochen. Allein das ist ein Grund, fit zu bleiben. Denn wie wäre das … Es sind ja keine Manuskripte. Es sind erwachsene Bücher, die auf eigenen Beinen stehen, in fremden Wohnungen in Regalen liegen oder im Keller. Leben sie noch? Oder sind es Leichen? Wie würde ich heute empfinden, was ich vor zehn, zwanzig Jahren schrieb. Vor der Sprache fürchte ich mich nicht, eher vor dem Blick auf die Welt. Andererseits: Würde ich mich nicht fürchten, hätte ich womöglich tatsächlich Grund, mich zu fürchten.

Teile diesen Beitrag