Auf das Pferd der Schriftstellerei gesetzt

Aus der Schreibmaschine geplaudert

Ich wollte schon Schriftstellerin werden, da konnte ich noch nicht mal schreiben. Mit Filzstiften malte ich Kringel auf Zeitungen. Und beschmierte mich damit. Ich wollte ganz schnell erwachsen werden, um schreiben zu lernen. Ich wollte dringender schreiben als lesen. Und dann war es endlich so weit und ich las lieber als zu schreiben. Bis ich zehn oder elf oder zwölf war.

ROMAN schrieb ich mit meinem abgekauten grünen Faber Bleistift, ich liebte es, am Stift zu nuckeln, auf die erste Seite des linierten Ringbuchblocks. Meinen Eltern bescherte ich ein angenehmes Dasein. Kind sitzt brav und still in seinem Zimmer an seinem rot-weißen Schleiflackschreibtisch mit abschließbarem – der Hit! – Fach und schreibt. Manchmal kam Papa herein: Sitz gerade.

Ich entsprach dem Idealbild des Kindes meiner Zeit: Hört man nicht, sieht man nicht, trägt nicht auf.

Heute wäre ich ein Fall für die Psychologin gewesen, aber die gab es damals noch gar nicht flächendeckend.

In meinem Arbeitszimmer heute steht rechts neben mir ein Spiegel. Manchmal, sagt er: “Sitz gerade!” Und das mach ich dann.

Da meine Eltern sich nicht übermäßig für meine Welt interessierten, hatten sie keine Ahnung von ihrem tragischen Tod. Schon damals wusste ich nämlich, oder es ist in meinem ordentlichen Charakter begründet, dass eine Geschichte glaubwürdig sein muss. Wie sollte meine zwölfjährige Protagonistin bitteschön in die Puszta nach Ungarn kommen, wenn sie in Deutschland Eltern hatte. Ein Autounfall bot sich an, und weg waren sie. So konnte meine Heldin Sandra zu einer entfernten Verwandten gebracht werden, die sich nun um das arme Waisenkind kümmerte. Den Namen der Tange habe ich vergessen. Ich könnte ihn nachschlagen, ich weiß, wo die Blöcke liegen, aber ich weiß auch, dass der Tag dann gelaufen wäre. Ich würde mich festlesen. Und das wäre heute schlecht, weil es mit meinem ordentlichen Charakter kollidierte, der dem Diktat des Terminkalenders gehorcht. “Sitz gerade!”

Nicht vergessen habe ich den Namen des schwarzen Leithengstes, den meine erste Heldin sich in der Puszta vertraut macht.

Die Wildnis, das Mädchen, der schwarze Hengst. Alle drei Artikel vorhanden. Säulen, Seulen meines ersten Romans. Und wie gesagt, die Psychologinnen waren zu dieser Zeit noch im Kindergarten.

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