Als mir Tanja Buburas ihre Geschichte erzählte, wusste ich sofort, dass ich sie aufschreiben muss.
Nachfolgend der Anfang von Ein Hund ist Herz auf vier Beinen
Prolog
Ich blicke in dein schlafendes Gesicht. Es ist so klein, dass es in meine Handfläche passt. Immer wenn ich dich ansehe, muss ich lächeln. Und es wird mir warm ums Herz. Seitdem du bei mir bist, fühle ich mich nicht mehr einsam. Und wann immer mir dieses große Wunder bewusst wird, durchströmt mich eine tiefe Dankbarkeit.
Dein kleiner, warmer Körper zuckt im Traum. Ich wüsste so gern, welche Bilder du siehst. Ob ich darin vorkomme? Ach, das ist doch egal, denke ich mir. Jetzt bist du da und wo du bist, ist keine Angst, weil du immer im Jetzt bist. Eine Weile schmiege ich mich in diesen Moment, dann stehe ich vorsichtig auf und gehe in die Küche. Schwupp, da ist ein Auge offen. Die Küche ist ein hochinteressanter Ort, an dem es zweimal täglich Manna regnet. Jetzt auch? Nein, jetzt nicht, wie du schnell merkst. Deine viel zu großen Ohren bleiben trotzdem auf Empfang. Es könnte ja irgendwo etwas runterfallen.
Eine Fliege kommt durch das geöffnete Fenster herein und summt durch das Zimmer. Mit einem Satz bist du auf allen Vieren und fixierst den Eindringling. Die Ohren gespitzt bis in das allerletzte Härchen, der kleine muskulöse Körper angespannt, die Schwanzspitze zittert. Ein Satz und los geht die Jagd, ein wilder Tanz durch alle Räume. Ich öffne die Balkontür und du treibst die Fliege hinaus. Wir sind ein gutes Team. »Das hast du toll gemacht, Gonzo«, lobe ich dich und streichele über dein struppiges Fell. Fliegenjäger, Angstjäger, Panikkiller, denke ich dabei.
Mit deinen großen, schwarzen Augen schaust du mich an und ich weiß, dass ich in Sicherheit bin. Ich brauche keine Angst mehr zu haben, weil du sie vertreiben wirst, wann immer sie sich anschleicht. Du erkennst sie frühzeitig mit deinen großen Ohren, dem wachen Blick, der feinen Nase. Du bist wie ein Herz auf vier Beinen. Und seit du bei mir bist, ist das Leben wieder schön für mich.
1
Endlich, die Türklingel. Ich hatte ihn schon gesehen, vom Fenster aus. Er war groß, kräftig und irgendwie Furcht einflößend, was mir ein sicheres Gefühl vermittelte. Im Internet hatte ich auch seine Augen gesehen. Bernsteinfarben. Andere Frauen in meinem Alter warteten auf einen Mann. Ich, 35 Jahre alt, Single, nicht ganz unattraktiv, wartete auf … einen Hund. Andere Frauen in meinem Alter sahen sich im Internet nach Männern um. Ich hatte mir diesen Vierbeiner ausgesucht. Er war nicht zu vergeben, war in festen Händen. Seine Trainerin und er waren ein eingespieltes Team, das merkte ich gleich, wie sie da so locker nebeneinander vom Auto zu meiner Haustür liefen. Die Trainerin war groß und schlank, wahrscheinlich in meinem Alter, und sie bewegte sich wie alle Menschen, die sich keine Gedanken darüber machen, was ihnen zustoßen könnte, wenn sie ihre Wohnung verlassen. Wie die meisten Menschen, die schreckliche Dinge tun, ohne mit der Wimper zu zucken. Einkaufen zum Beispiel, Auto fahren, spazieren gehen.
Seit sieben Jahren war ich eine Gefangene. Mein Gefängnis war unsichtbar für andere. Aber ich selbst spürte es, sobald mein Herz zu rasen begann. Wenn ich keine Luft mehr bekam. Wenn ich am ganzen Körper zitterte. Wenn die Todesangst mich in ihren Fängen hielt und schüttelte. Sicher war ich nirgendwo, außer in meiner Wohnung. Deshalb konnte ich sie kaum noch verlassen. Ich machte mir nichts vor: Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass der Prinz eines Tages hier klingeln und auf seinem weißen Pferd mit wallender Mähne und silbernem Schweif mit mir in die Freiheit reiten würde. Aber zum schwarzen Hund hatte ich es geschafft, immerhin.
Ich drückte den Türöffner. Meine Hände waren feucht. Es war mir absolut klar, was für mich jetzt auf dem Spiel stand. Nach sieben Jahren verschiedener Therapien kam mir dieser Augenblick vor wie mein letzter Rettungsversuch …