Viel Wind um Frizz

Cover von Viel Wind um Frizz

Mit diesem Buch bin ich sogar in die GALA gekommen. Ohne jung und reich und Model zu sein. Zwei Seiten Vorabdruck im Juli 2015. Galaauftritt sozusagen!

Nachfolgend der rote Teppich – Textauszug aus Viel Wind um Frizz

 

 

Schöne Menschen sind erholsam für die Augen, wenn man täglich stundenlang auf einen Computerbildschirm starrt. Meine neue Kundin war reinste Linsenwellness. Blonde Mähne mit fruchtig-prallem Dekolleté und himmelblauem Kleid. „Kommen Sie zu mir an den Starnberger See“, hatte sie mich am Telefon eingeladen. Clarissa Lichtensteins Stimme klang hell und jung – sie war wohl Ende 20, Anfang 30. Sie wohnt in einer Villa, die in einem parkähnlichen Garten prunkte. Als ich die roten Fensterläden entdeckte, wusste ich, dass ich den Auftrag als Ghostwriterin annehmen würde. Ich liebe rote Fensterläden – gerade weil sie selten sind in der oberbayerischen Landschaft voller Holzbalkone und Geranien. Hier gab es Spalierrosen, alten Obstbaumbestand, überwucherte Beete, eine Dornenhecke wie aus dem Märchen, an der leuchtend rote Himbeeren sanft im Wind schaukelten, und sogar einen Glaspavillon mit Swimmingpool.

„Der ist schon lange nicht mehr in Betrieb“, sagte Clarissa bedauernd. In ihrem Mundwinkel prangte ein Schokoladenfleck, der ihr etwas Unbekümmertes verlieh. Ich wies nicht darauf hin, dass es nur ein paar Schritte zum Starnberger See waren.

Im Vergleich hauste ich in einer Hundehütte. Was sind schon drei Zimmer in München, wenn auch direkt am Englischen Garten. Deshalb empfange ich selten Kunden bei mir. Und für das erste Treffen leihe ich mir den Porsche meines Nachbarn. Ich finde das witzig: Die Ghostwriterin verwischt ihre Spuren.

Ich hätte gewarnt sein müssen. Denn es gab schon bei unserem ersten Treffen Ungereimtheiten. Doch Clarissa Lichtenstein bot mir Schokolade an, was mich für sie einnahm – und außerdem war sie schwanger. Das flößte mir Ehrfurcht ein, wahrscheinlich, weil ich selbst keine Kinder habe. Und ich wusste auch nicht, ob ich das ändern wollte. Ich hatte ja noch viel Zeit mit meinen Anfang dreißig. In dieser Frage war ich relativ blauäugig, wenn auch von Natur aus grünäugig. In der Abendsonne leuchten meine Augen smaragden wie Flaschenglas am Meeresstrand – Zitat meines ständigen Freundes und Exfreundes Frizz. „Grüne Augen, Froschnatur, von der Liebe keine Spur“, wurde ich früher gehänselt. Während ich mir die „blauen Augen, Himmelsstern, küssen und poussieren gern“ wünschte, denn wer küsst schon gern einen Frosch, bin ich heute zufrieden, auch mit dem Rest. Meine Nase könnte kleiner sein, aber dafür habe ich einen guten Riecher. Meine Figur erscheint sportlicher, als ich es bin, und meine dunklen Locken sehen aus, als würde ich jeden Morgen fluchend vorm Spiegel stehen. Dabei lassen sie sich leicht kämmen. Ich komme gut mit mir zurecht. Das ist nebenbei bemerkt auch die beste Voraussetzung, um mit Männern wie Frizz zu leben: Sie wie einen Luxusgegenstand zu behandeln. Schön, wenn er da ist, und wenn nicht, besinnt man sich auf das Wesentliche.

Ich fand Clarissa umwerfend. Bei ihr stimmte alles, und obwohl sie fast ununterbrochen redete, sagte sie keinen Unsinn und aß nebenbei eine dreiviertel Tafel Schokolade.

Beim ersten Treffen lasse ich meine Kunden drauflosreden. Allerdings prüfe ich, ob sie sich führen lassen. Anderenfalls lehne ich ab. Alle haben sich daraufhin gebessert. Sogar der berühmte Torwart, dem die Presse meistens mit offenem Mund bis zum Zäpfchen auf den Titelblättern schmeichelte. Denn sie wollen etwas von mir. Und sie wissen, dass sie bei mir an einer guten Adresse sind.

Ich bin hauptberuflich unsichtbar. Im Auftrag von Verlagen schreibe ich als Ghostwriterin Bücher für Prominente. Als ich damit begann, arbeitete ich halbtags als Online-Redakteurin und verdiente gerade genug, um mir ein Zimmer in der Peripherie Münchens, hochwertiges Hundefutter für meinen Hund und Discountfood für mich zu leisten. Man muss Prioritäten setzen. Eines Abends stellte mir mein Chef einen Bekannten vor, dessen Frau eine Operndiva gewesen war. Ihr Leben wurde zu meinem ersten Ghostwriting-Projekt, erfolgsgekrönt, denn die Diva massakrierte kurz vor dem Erscheinungstermin ihren Gatten mit 33 Messerstichen. Sie hatte Wert darauf gelegt, jedes seiner Prunkstücke – vom Einhand- über das Jagdmesser zum Hirschfänger – an ihrem Gatten zu erproben. Die Zahl der Stiche entsprach der seiner Freundinnen, in erster Linie Blondwild. So etwas hätte ich der Diva nicht zugetraut, und erst recht nicht, dass sie die fette Beute zerstückelte und ihren Gästen als Hirschragout vorsetzte. Ich denke trotzdem gerne an sie. Bei jedem unserer Treffen hatte sie Kuchen gebacken, und als sie herausfand, dass ich eine Schwäche für Mango-Lassi habe, stand stets ein Krug auf dem Rokokotischchen neben dem altrosa bezogenen Sofa mit Kissen voller Borten und Troddeln. So wie die Kissen aussahen, hatte ihre Stimme früher geklungen. Die Diva hatte mir angeboten, bei den Honoraren halbe-halbe zu machen. Geld hatte sie nicht nötig, und sie glaubte auch nicht an einen Erfolg des Buches, bis sie dann selbst dafür sorgte mit ihrem Hirschragout.

Es kommt selten vor, dass sich Auftraggeber ohne Verlag oder Agenten bei mir melden. So wie Clarissa. Ich hätte nein sagen sollen, denn ich fühlte mich urlaubsreif. Doch sie war ein echter Feger. Ich schätze Frauen, die es im Leben ohne Mann zu etwas gebracht haben. Also machte ich mir keine Gedanken, wie genau sie mich gefunden hatte. Nicht, dass es unmöglich wäre, aber ohne Kenntnis der Verlagsbranche benötigte es Einfallsreichtum, einen Ghost aufzuspüren. Den hatte sie bewiesen, und das gefiel mir. Und ich bin gern in Gesellschaft schöner Menschen. Das hat etwas Entspannendes. Es beruhigt meine Augen, und da ich täglich stundenlang auf den Laptop starre, brauche ich das. Clarissa war die reinste Augenweide, und ich genoss es, meine Blicke grasen zu lassen. Bald würde sie wie ein offenes Buch vor mir liegen, weil sie genau das wollte: ein Buch. Ich könnte sie alles fragen. Auch Dinge, die man normalerweise nie fragt. Wenn sie einwenden würde, dass dies doch nichts mit dem Buch zu tun habe, würde ich freundlich erklären, dass alles mit dem Buch zu tun habe: Um ein gutes sichtbares Buch zu schreiben, müsste ich auch alles Unsichtbare wissen. Das ist natürlich Quatsch. Aber ein bisschen Spaß muss sein.

„Und wie war Ihr erstes Mal?“, fragte ich den Torwart, der sich nicht mal vor Elfmetern fürchtete.

„Was hat das mit dem Buch zu tun?“, wollte er wissen.

„Nichts“, sagte ich. „Aber für mich ist es wichtig als Hintergrundinformation.“

Er erzählte zögernd. Er quälte sich. Er hatte Angst gehabt. Versagerangst. Ich genoss sein Winden, seine dribbelnden Ausfallschritte, und staunte, wie klein der Mund des Torwarts werden konnte, so klein, dass nicht mal ein Tischfußball hineingepasst hätte.

Die Geschichte, die Clarissa mir am Telefon nun ausführlich erzählte, war sensationell. Exakt das Buch, das ich mir zu schreiben wünschte. Keine langweilige Selbstdarstellung eines Möchtegerns oder Pseudosupermanns. Clarissa Lichtenstein war eine faszinierende Persönlichkeit. Sie war nicht nur klug und schön, sie war auch mutig und eine Kämpferin. Was sie allein im letzten Jahr erlebt hatte, erleben manche in einem ganzen Leben nicht, oder – wie meine Oma zu sagen pflegte: Das geht auf keine Kuhhaut –, und wer eine Kuhhaut einmal vor sich ausgebreitet hat, weiß, dass auf einer Kuhhaut viel Platz ist.

Ich fühle mich wie im Rausch. Was für ein tolles Projekt! Das wäre mein absoluter Durchbruch als Ghostwriterin. So kann man sich täuschen – und das Wort Durchbruch völlig falsch interpretieren …

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2 Gedanken zu „Viel Wind um Frizz

  1. Markus

    Naja den Begriff Durchbruch müsste man wie du bereits sagtest erst definieren. Für die einen ist der Durchbruch finanziell wichtig und dann gibt es wiederum Leute, die nur eine große Reichweite aufbauen wollen, um der Masse zu helfen.

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    1. Luna

      Bei der Gelegenheit schaue ich mir das Wort Durchbruch genauer an, mancher Ausbruch beginnt als Durchbruch und endet als Einbruch, mit dem wiederum alles begann, was kein Beinbruch sein muss, und jetzt ist die Brücke zum Hund gebrochen, aber vielleicht liegt der wohl beschützt in einer deine Hundehütten und da bricht nix!

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