Vom Schreiben Leben, Teil 1

Hauspost CoverbildUnd was machst du so?

Ich schreibe.

Wowh! Das ist ja interessant! Und … kannst du davon leben?

Heute ja. Früher … da war diese Frage für mich Folter.

Kannst du davon leben, das bedeutete für mich nämlich genauso viel wie: Bist du gut genug? Das wiederum bedeutete: Wer gut genug ist, kann davon leben. Ich jedenfalls konnte nicht davon leben, obwohl ich mich durchaus für gut hielt. Also musste ich erklären, und während ich erklärte, dachte ich, dass sich das nach Rechtfertigung anhörte, dabei wollte ich doch nur klar stellen:

Es können nur die allerwenigsten AutorInnen ausschließlich vom literarischen Schreiben leben, nämlich 2 %. Diese Zahl hatte ich mal irgendwo aufgeschnappt. Die meisten LiteratInnen machen nebenbei noch was anderes. Bei Siemens oder der Stadtsparkasse, im Sozialdienst oder einer Großküche, an der Uni, bei der Post oder der Straßenmeisterei – und viele trifft man als TaxifahrerInnen und LehrerInnen. Dieses Wissen habe ich nicht aufgeschnappt, ich habe es in Feldstudien erworben.

Aha, nickten meine Gegenüber. Bildete ich es mir ein oder schauten sie mich ein bisschen mitleidig an? Wie eine, die hängen geblieben ist in ihren Träumen. Wie eine, die der Realität nicht ins Auge blicken kann. Wie eine Versagerin eben. Manchmal traf ich jemanden, den ich jahrelang nicht gesehen hatte, und wurde gefragt: Schreibst du noch immer? Und ich sagte: Ja. Und dann kam sie wieder, meine Lieblingsfrage: Kannst du davon leben?

Man plänkelte noch ein wenig herum, dann verabschiedete man sich, und ich hörte förmlich, wie meine flüchtige Bekanntschaft zu ihrer Begleitung sagte. Ja, ja, das ist die Michaela, die kenne ich noch von früher, tragisch ist das, die ist voll stehen geblieben in ihrer Entwicklung, seit Jahren erzählt sie das Gleiche und nichts geht voran. Wirklich jammerschade.

Mehr zum Thema “Vom Schreiben leben” gibt es in vier Tagen hier in der Hauspost.

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12 Gedanken zu „Vom Schreiben Leben, Teil 1

  1. Vera und Die 12Pfoten

    Nicht “in den Träumen stehen geblieben”, sondern seinen Träumen TREU geblieben. Wer kann schon von sich behaupten, das geschafft zu haben? Die meisten von uns ereilt irgendwann der Alltag, die Realität, die Normalität. Leider allzu oft ohne unsere Träume. Wie beneidenswert ist es, wenn man seine Träume tatsächlich leben darf!

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  2. Gitti Prechtl

    Liebe Shirley,
    ich bin froh, dass du nicht mit der Schreiberei aufgehört hast, als du noch nicht davon leben konntest. Dadurch kann ich deinen Schreibstil immer wieder genießen.
    LG Gitti

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  3. Clemens G.

    Zitat: Es können nur die allerwenigsten AutorInnen ausschließlich vom literarischen Schreiben leben, nämlich 98 %.

    Ist das ein Fehler oder leben wirklich 98% der AutrInnen von ihrer Schreiberei?

    Gruß Clemens

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    1. Luna

      Clemens! Ich danke dir! Ich ändere das gleich. Und bin regelgerecht gerührt, dass das jemand gefunden hat, denn es bedeutet, jemand hat aufmerksam gelesen! Liebe Grüße Michaela

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  4. Mara F.

    Liebe Frau Seul,
    danke für diesen wirklich tollen artikel in ihrem BLog! Ich finde es sehr interessant, wenn man auch was aus dem Hintergrund erfährt. Ich habe schon zwei Bücher von Ihnen gelesen und das sind nicht die letzten mit SIcherheit. Alles Gute weiterhin und viel ERfolg. Mit freundlichen Grüßen Mara

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  5. Silvana

    Du bringst es auf den Punkt, Michaela! Genau das Gleiche erlebe ich auch, und ich bin froh, dass ich damit nicht allein bin. Teil II: Ich freu mich drauf!
    LG Silvana

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