Wie ich schreibe – Teil 4: Wind und Sonne in der Dramaturgie

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Heute geht es weiter mit der Wetterkunde für AutorInnen – Hochs und Tiefs in der Dramaturgie.

Wo welcher Wind weht

Dass es in nordischen Krimis regnet, ist einfach so, und es ist ganz wunderbar. Ich glaube, wenn dort schönes Wetter herrschte, wären diese Krimis nicht so erfolgreich. Schon beim Kauf eines solchen Buches zieht man innerlich die Gummistiefel an und freut sich, es im Trockenen zu lesen, während die ermittelnden Kommissare ihre stets steif gefrorenen Hände um Kaffeetassen pressen. Vielleicht freue ich mich deshalb immer so, wenn die Kriminalkommissare in den Schwedenkrimis endlich zu Hause im Warmen sind, weil ich zuvor mit ihnen gelitten habe in diesem Sauwetter. Aus therapeutischen Gründen lese ich diese Krimis am liebsten im Spätsommer, wenn die bevorstehende nasskalte Jahreszeit mich zu melancholisieren droht. Mensch, Regen ist doch eigentlich ganz schön. Ich war einmal in der Karibik und hatte fünf Regenkrimis im Gepäck. Nie wieder habe ich solche Sehnsucht nach scheußlichem kaltem Regen verspürt. Insofern ist festzuhalten, dass Wetter keine austauschbare Begleiterscheinung ist, sondern ein dramaturgisches Element.

Liebe nur mit Bizeps

Das gleiche gilt für Liebesgeschichten. Eine Lovestory im November unter Dauerregen und -nebel will nicht richtig munden. Da fehlen die Düfte eines romantischen Spaziergangs, da fehlt der Sand zwischen den Zehen und das Schlagen der Brandung, dass die Liebesschwüre aus den Mündern reißt und in flatternden Fetzen von Rotkehlchen davongetragen wird, hoch hinauf einen blauen Himmel und nackte Beine blitzen auf unterm Glockenrock, während ein bronzefarbener Bizeps sich apfelrund in Positur rollt und das alles unterm blühenden Flieder.

Thriller meiden Sonne

Ein Thriller hingegen, in dem nicht genmanipulierte Rotkehlchen ohne jegliche Heiserkeit trillern, ein Thriller, in dem Tag für Tag die Sonne scheint, lässt keine richtige Stimmung aufkommen, außer diese alles vernichtende Sonneneinstrahlung wäre der Thrill. Ein Thriller fühlt sich wohl im Dunkeln und schleicht lieber tagsüber als nachts durch die Schlüsselszenen.

Selbstverständlich spielen auch die Tageszeiten eine Rolle. Das gleißende Morgenlicht verbreitet eine völlig andere Stimmung als die Nacht. Deshalb sollte beim Beginn eines Textes überlegt werden, in welcher Jahreszeit er handelt, auch bei einem Kammerspiel. Denn Wetter ist immer. Auch wenn die Fenster geschlossen sind. Auch wenn jemand im Verlies hockt. Dann ist es die Abwesenheit von Wetter, die es so bedeutsam macht.

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3 Gedanken zu „Wie ich schreibe – Teil 4: Wind und Sonne in der Dramaturgie

  1. Ein Leser

    Sie haben Recht. Jetzt, wo ich Ihre Gedanken gelesen habe, ist e smir auch aufgefallen. Wetter spielt eine Rolle. Schön, wenn man manchmal so wo draufgestoßen wird. Danke dafür und auch für Ihre wunderbaren Bücher. Mein Favorit ist Kurt Peipe, danach kommt Alfred Riepertinger und das KIT München. Ich habe mehr als 20 Bücher von Ihnen gelesen und noch viele auf meinem Wunschzettel stehen. Beste Grüße

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  2. Sabine Wagner

    Hallo Frau Seul,
    vielen Dank für diesen aufschlussreichen Artikel, der ja ganz prima zu Ihrer neuen Veröffentlichung passt. Da geht es doch auch um Wind! Ich habe gesehen, dass Sie jetzt auch ein E-Book haben. Find ich prima. Ich lese gern auf dem Reader. Habe schon bestellt und die ersten vier Seiten sind wie alles von Ihnen wirklich prima zu lesen, macht einfach Spaß, was Sie so schreiben. Ich hoffe also, das der Wind Ihnen nicht ausgeht. Liebe Grüße von Sabine Wagner

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    1. Luna

      Vielen Dank für Ihren netten Kommentar, liebe Frau Wagner. Das freut mich. In der Geschichte vom E-Book VIEL WIND UM FRIZZ kommt natürlich auch ein Hund vor. Aber das erschließt sich ja auf dem Cover. Liebe Grüße von Luna, Miss Lomax und der Chefin

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