Wie ich schreibe – Schreibtipps Teil 1 – Aller Anfang ist Plopp

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Hin und wieder bekomme ich Mails von Menschen, die gerne schreiben sollen, aber nicht wissen, wie sie anfangen sollen. „Wenn man den Anfang hat, dann ist das Schlimmste geschafft, oder?“ „Ja“, sage ich dann meistens „Bis auf den Mittelteil und den Schluss.“ Aber es ist schon was Wahres dran: Aller Anfang ist schwer!

Mit dem Plopp beginnen

Ein gelungener Anfang ist wie der Plopp, wenn sich die Champagnerflasche öffnet. Er macht Lust auf mehr und neugierig. Er stellt vielleicht schon eine oder mehrere Fragen. Es gelingt einem mitreißenden Anfang, mit einem oder wenigen Sätzen mitten hinein in das Ereignis zu springen, von dem aus weitergeschrieben wird.

Als die zwei Polizisten, die mir die Todesnachricht überbrachten, an meiner Tür klingelten, saß ich gerade auf dem Klo.

Wer ist gestorben? Wie ist jemand gestorben? In welcher Beziehung stand er oder sie zu der Person auf der Toilette? Und warum war sie auf der Toilette? Normale Vorgänge? Oder etwas Außergewöhnliches?

Neugier wecken!

Ein Anfang, der Fragen aufwirft, macht neugierig: Die Leserin will mehr wissen.

Aber Vorsicht! Zu viele Informationen in einen Anfang zu verpacken, schreckt eher ab, als den erwünschten Lesesog herzustellen:

Als die zwei Polizisten, mit denen ich früher zur Schule gegangen war, was ich aber erst später herausfand, nämlich als der eine mir einen Liebesbrief unter die Nase hielt, den ich ihm angeblich mal geschrieben hatte, an meiner Tür klingelten, und sie klingelten nicht einmal, sondern fünf Mal, weil ich gerade auf der Toilette war und dort auch nicht weg konnte, da ich am Vortag Besuch gehabt und ein neues Rezept meiner Mutter ausprobiert hatte, die …

Auch hier sind viele Informationen versteckt, doch es sind so viele, dass der Leser den Überblick verliert und wahrscheinlich gar nicht wissen möchte, mit wem die Heldin zur Schule gegangen ist, ob es überhaupt eine Heldin ist, was es mit dem Liebesbrief auf sich hat und ob das Rezept Gift enthielt. Auch wenn diese vielen Informationen nicht in einem einzigen Satz verpackt wären, sondern in einigen Sätzen, vermittelten sie zu Beginn zu viele Informationen auf einmal.

So nicht!

Am Anfang eines Romans werden Personen, Schauplatz und Konflikte raffiniert vorgestellt, und zwar erzählerisch. Sonst wäre das Schreiben ja keine Herausforderung. Sonst könnte einfach auf der ersten Seite eines Buches stehen:

Liebe Leserin, lieber Leser, nachfolgendes Buch handelt von dem tragischen Todesfall der Person Hilmar Sanders, von dem seine Ehefrau, Barbara Sanders, just in dem Moment erfährt, als sie auf der Toilette eine Fehlgeburt zu erleiden glaubt. Stellen Sie sich ein hübsches Einfamilienhaus vor, die Toilette befindet sich im Erdgeschoss, die Eingangstür ist schräg gegenüber. Das Wetter: leicht bewölkt, Jahreszeit: Frühling. Und jetzt geht es los.

Ausspucken oder schlucken?

Auch ein Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel lebt von seinem guten Anfang. Wenn Sie sich selbst einmal beim Blättern in einer Zeitung beobachten, werden Sie wahrscheinlich feststellen, dass Sie automatisch dort weiterlesen, wo Ihr Interesse geweckt wurde. Ein Anfang ist wie eine Weinprobe. Man schwappt ihn im Mund herum und entscheidet dann, ob man mehr davon möchte oder nicht. Ob man ausspuckt oder schluckt.

Gänsehaut –  ein Kriterium für einen guten Anfang

Aber woher kommen sie nun, die wirklich guten Anfänge? Kann man sie herbeihexen, indem man auf den blinkenden Cursor starrt, und funktioniert das, wenn man es nur lange genug durchhält?

Meine Anfänge geschehen anders. Eigentlich passieren sie mir. Plötzlich ist ein Satz da. Ich kriege Gänsehaut. Ich spüre mit meinem ganzen Schriftstellerinnenleib, dass das ein guter Satz ist. Keine Ahnung, wofür genau, aber es ist ein Anfangssatz zum Beispiel für einen Roman oder einen Krimi. Mein ganzer Körper signalisiert JA. Das ist gut. Ich notiere die Idee sofort. Genauso verfahre ich bei einem Anfangssatz, der mir einfällt. Ich schreibe ihn SOFORT auf. Er ist noch so jung und frisch und ich könnte ihn vergessen. Wenn ich ihn aufgeschrieben habe, darf ich ihn vergessen. Wenn er wirklich gut ist, fällt er mir noch ein paar Mal ein. Irgendwann, das kann ein, zwei Jahre später sein, erinnere ich mich wieder oder ich blättere in meinen Notizen und entdecke diese Perle. Und dann stelle ich ihn an den Anfang und wie von selbst schreibt sich die Geschichte weiter, gerade so, als wäre vom Moment der Erschaffung des Anfangs an im Stillen und heimlich die Geschichte gewachsen und alles, was ich zu tun brauche, ist sie aufzuschreiben. Oder ist es nicht vielleicht sogar ein Abschreiben? Denn im Grunde genommen, davon bin ich überzeugt, sind alle Geschichten schon geschrieben, ich muss sie nur (er)finden.

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